Ich habe den Roman "Noble Gesellschaft" von Joan Weng im Rahmen der Literatur AG meines Gymnasiums gelesen und bin restlos begeistert. Joan Weng (*1984) hat zunächst Germanistik und Geschichte studiert und promoviert aktuell über die Literatur der Weimarer Republik, für ihre schriftstellerischen Werke wurde sie bereits mit verschiedenen Preisen und Stipendien ausgezeichnet.
Zum Inhalt:
Der zweite Band der Serie um den schönsten Mann der UFA.
Berlin im Herbst 1925: In der noblen Gesellschaft ist ein Dienstmädchen verschwunden. Ein alter Bekannter erzählt Carl von Bäumer, Starschauspieler der UFA, bei einem Galadinner davon - und schon am nächsten Tag ist er tot. Handelt es sich wirklich um Selbstmord? Carl glaubt nicht daran und forscht nach den Hintergründen. Gemeinsam mit Kommissar Paul Genzer taucht er tief ein in Berlins Gesellschaft der Zwanziger Jahre. Und plötzlich befinden sie sich in einem Verwirrspiel aus Rache, Diamantenschmuggel und jahrzehntealtem Hass.
Ein Kriminalfall in der Welt der Goldenen Zwanziger.
http://www.aufbau-verlag.de/index.php/noble-gesellschaft.html
Zur Form:
Der Roman ist multiperspektivisch geschrieben, wobei die verschiedenen Figuren auch einen eigenen Stil haben, der zu ihrer jeweiligen Persönlichkeit passt. Hierbei benutzt die Autorin eine sehr exakt recherchierte Sprache der Zeit, die teilweise auch gegen unsere heutige Vorstellung von der damaligen Sprache verstößt, wie zum Beispiel durch den Einsatz von Anglizismen (by the way) oder Umgangssprache (top). Durch die Verwendung der wechselnden Perspektive gelingt Weng nicht nur ein umfassender Einblick in die unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten sondern sie nutzt es auch als Element der Komik, da so verschiedene Wahrnehmungen der Ereignisse gezeigt werden können.
Weng spielt geschickt mit den Elementen des klassischen Kriminalromans, wie dem Mord im geschlossenen Zimmer, dem Gentlemandetektiv und der überraschenden Auflösung zum Ende, ist jedoch auch bereit, diese Elemente ironisch zu brechen, so ist ihr Ermittler keineswegs unfehlbar und ermittelt teilweise nur aus Angst vor der drohenden Spülbürste. Auch die Aufklärung während der Reinigung des Geschirrs darf man wohl getrost als Persiflage auf die Lösung im Kreis der eleganten Verdächtigen verstehen. Kleine Hommagen an große Werke der Literatur wie Effie Briest (das geistersehende Dienstmädchen heißt Effie) oder Shakespears Horatio sind ebenso zu finden, wie historische Persönlichkeiten von Anita Berber über Lang bis zu Kriminalpolizeirat Gennat. Ihr durchaus umfassend erscheinendes Hintergrundwissen lässt Weng in sehr unaufdringlicher Weise einfließen, so dass man streckenweise glaubt, einen Roman aus der Zeit zu lesen. Leserinformation im Sinne von "Das war damals so und so" sucht man vergebens, was das Buch gleichermaßen faszinierend wie anspruchsvoll macht. Aufmerksames Lesen ist eindeutig erforderlich, wird aber reich belohnt, sowohl durch Wengs herrliche Sprache als auch durch die vielen entzückenden Nebenhandlungen.
Die Autorin schreibt sehr schön, mit starken Bildern und herrlichen Sätzen wie "Das menschliche Herz ist aus Glas." Der Spannungsbogen wird von Anfang bis Ende aufrecht gehalten, beruht aber mehr auf den persönlichen Beziehungen als auf klassischer Kriminalarbeit. Die sehr gelungene Auflösung konnten wir trotzdem nicht erraten, immer wenn wir glaubten, es nun zu durchschauen, gab es eine neue Wendung.
Meine Meinung:
Ein hervorragendes Gesellschaftproträt und ein sehr guter Kriminalroman mit sehr interessanten Persönlichkeiten, der uns allen sehr, sehr gut gefallen hat. Wir hoffen, dass es noch viele Bände mit Carl und Paul geben wird. Wir sind verliebt in die beiden und natürlich auch in den kleinen Horatio!