So etwas liest sich gut, klingt ungefährlich und steht auf der Rückseite des Buches. Doch das Deutsche Grundgesetz sichert die Meinungsfreiheit, man muss dafür nicht extra noch plädieren. Was soll das also? Und was bedeutet Wiederbesinnung? Ist uns die Meinungsfreiheit irgendwie aus dem Sinn gekommen? Leiden wir plötzlich unter Vergesslichkeit? Oder ist ein solcher Satz etwa eine Bitte an die Leute, die den Meinungskorridor aggressiv immer mehr einschränken?Der Autor dieses Buches befasst sich mit der sogenannten Cancel Culture, einem Phänomen, das Teil eines Vernichtungsfeldzuges gegen die westliche Kultur ist, die vom weißen Mann geschaffen wurde. Seit wann reagiert man auf die drohende Vernichtung lang und schwer erkämpfter Rechte und Zustände mit einem Bittgesuch? Oder mit einer Warnung, dass die westliche Demokratie in Gefahr sei?Obwohl der Autor auch hier herumeiert: Die Cancel Culture Bewegung ist Teil eines linken Umsturzversuches in eine neue Gesellschaft, die uns hinter die Aufklärung zurückwerfen würde. Sie funktioniert nur in den westlichen Ländern, nicht jedoch anderswo in der Welt. Und offenbar hat sich der Westen seit 1968 selbst sturmreif gemacht. Auf seine Weise verdeutlicht das auch dieser vorsichtige Text. Leider macht er nicht nur den Eindruck einer Seminararbeit, er liest sich auch so. Statt die Dinge klar und deutlich beim Namen zu nennen und eine eigene Analyse zu wagen, verschanzt sich Kolja Zydatiss hinter Aussagen anderer, die er zitiert und kommentiert.Das Buch beginnt mit vielen Beispielen aus der jüngsten Zeit: Menschen haben ihre Anstellung verloren, weil sie sich "falsch" geäußert oder mit den "falschen" Leuten getroffen haben. Da hilft auch keine Selbstkritik mehr wie man sie aus dem maoistischen China kennt. Im zweiten Teil befasst sich der Autor dann mit den "Treibern der Cancel Culture", um dann abschließend im dritten Teil zu klagen, dass die Demokratie in Gefahr sei.Das Buch bringt viele Dinge eigentlich ganz gut auf den Punkt, erklärt aber nicht die systematische Vorgehensweise der Kulturrevolutionäre und sträubt sich etwas dagegen, den marxistischen Hintergrund dieser Bewegung zu benennen. Und leider gibt es auch keine wirklich praktischen Ratschläge, wie man handeln soll, wenn man in die Fallen gelaufen ist, die dieses Vernichtungssystem ausmachen.Wie funktioniert also Cancel Culture? Zunächst wird ein dichtes Netz aus allen möglichen Sünden aufgespannt, dem man faktisch gar nicht entweichen kann, denn irgendein Ismus, der ganz fürchterlich schlimm ist, kann einem immer zugeordnet werden. Wirklich komisch ist dabei immer, dass diese infamen Menschen selbst genau das machen, was sie anderen vorwerfen. Wenn man nun jedoch anfängt, das mit Argumenten beweisen zu wollen, oder wenn man sich rechtfertigt, sitzt man in der perfekt aufgestellten Falle.Cancel Culture ist keine Form der intellektuellen Auseinandersetzung, sondern nichts weiter als ein sehr aggressiver Versuch, Dominanz und Macht zu demonstrieren und letztlich auszuüben. Wer sich dagegen mit Argumenten zu wehren versucht, hat das nicht begriffen. Das ist ungefähr so, als ob man einem Straßenschläger zu erklären versucht, dass man doch ganz lieb ist. Cancel Culture ist eine typische linke Eskalationsstrategie: Je mehr man zurückweicht, umso aggressiver wird sie. Leider ist das noch nicht bis zu Kolja Zydatiss durchgedrungen.Abgesehen von dieser grundsätzlichen Kritik und dem Stil des Autors, lässt sich wenig gegen seinen Text sagen. Er ist informativ, aber in seiner Laschheit wieder nur ein Beweis für die Kraftlosigkeit, mit der sich "bürgerliche" Kräfte gegen den linken Weg in den Totalitarismus zu wehren versuchen. Man kann das gut verstehen, denn der normale Bürger ist diese gnadenlose Aggressivität nicht gewohnt und versucht, sich im Rahmen seiner ihm antrainierten Fähigkeiten zu wehren. Die Demokratie wurde schon immer von radikalen und gut organisierten Minderheiten bedroht, die sich für Auserwählte hielten und eine neue Welt schaffen wollten, die angeblich gerechter oder besser werden sollte als die alte. Herausgekommen ist dabei immer ein Gewaltregime, das Andersdenkende hemmungslos verfolgte.Im Übrigen zieht auch Intellektualität dagegen schon deshalb nicht, weil diese Bestrebungen stets mit einem religiösen Eifer verbunden sind, der offenbar im Menschen angelegt ist, wenn sich Größenwahn auf der einen und Herdentrieb auf der anderen Seite vereinigen. Die deutsche Geschichte bringt eigentlich Beispiele genug dafür. Aber ein Blick ins bolschewistische Russland oder ins maoistische China offenbaren dasselbe Phänomen. Gut versteckt hinter wohlklingenden Erlösungsversprechen finden die Allmachtsansprüche einer kleinen Minderheit unter bestimmten Bedingungen immer genug Gefolgsleute, um schreckliche Regimes zu installieren.Es wäre schön gewesen, wenn der Autor dieses Buches dieses Prinzip hinter der sogenannten Cancel Culture beschrieben hätte. Es geht nicht um irgendeine Kulturrevolution oder um Wiedergutmachung irgendwelcher vergangener böser Taten. Das ist alles nur vorgeschoben. In Wirklichkeit soll äußerst aggressiv Widerstand gebrochen werden, um in der Folge dieser Einschüchterung die Gesellschaft nach den eigenen Vorstellungen grundlegend umbauen zu können.Erst die jahrelange Unterwanderung eigentlich konservativer Kräfte hat den in diesem Buch beschrieben Kräften die Möglichkeit gegeben, sich in der ganzen Gesellschaft lautstark artikulieren zu können. Am Beispiel der geistigen und personellen Entkernung angeblich bürgerlicher Parteien in Deutschland sieht man sowohl das Prinzip, die Vorgehensweise und das Ergebnis von Cancel Culture, als auch die ganze Hilflosigkeit, mit der ihr begegnet wird.Wenn also noch nicht einmal angeblich bürgerliche Parteien sich diesem Treiben in ihrem Inneren zu widersetzen in der Lage sind, besteht wenig Hoffnung auf eine Umkehr aus diesem Marsch ins Verderben. Dessen ungeachtet setzen gewisse Leute immer noch hoffnungsvoll auf die sogenannte "bürgerliche Mitte" und übersehen dabei, dass es gerade der Nachwuchs aus diesem satten Bürgertum ist, der sich in der Cancel Culture und anderen Erlösungsbewegungen engagiert.Wenn man es mit Leuten zu tun bekommt, die wie oben beschrieben agieren, dann darf man sich niemals gebeugt in die Rechtfertigungsfalle drängen lassen, sondern muss mit breiter Brust die moralischen Heuchler aus ihrer selbstgefälligen Position drängen und sie mit ihren eigenen Waffen schlagen. Ihr Handeln entschlossen als das, was es wirklich ist, zu benennen und ihre Ziele zu entlarven, ist dazu eine passende Methode.