Zunächst einmal bedanke ich mich beim Krüger Verlag und bei LOVELYBOOKS für das Buch und die Testleserunde.
Was mich zuallererst für dieses Buch eingenommen hat war die Warnung oberhalb des Impressums: ¿Dies ist ein Roman. Darin werden Ausschnitte aus der Erfahrungs- und Reifungsgeschichte von Frauen erzählt. Männer lesen diese Zeilen auf eigene Verantwortung.¿ Schön!
In Gunnurs Haus wurde eingebrochen während sie schlief, in diesem Sinne beginnt der Klappentext. Und auch das erste Kapitel. Aber für die eigentliche Geschichte ist dies nicht wichtig. Da ist schon der Text auf der Rückseite des Einbands hilfreicher: ¿Wie verbringen eine Frau mittleren Alters und ein Mädchen im Teenageralter, das an Handy, PC und Fernsehen gewöhnt ist, drei Tage in völliger Abgeschiedenheit miteinander?¿
Wie kommt es zu dieser Situation?
Eine Frau in den Fünfzigern, Gunnur, die zwar alles gerne unter Kontolle haben möchte, aber doch nicht immer eindeutig handelt, wird gewissermaßen überrumpelt, die 14-jährige Hugrún über ein Wochenende zu betreuen. Hugrún erinnert Gunnur an ein Reh, deshalb wird sie zukünftig auch nur so genannt. Sie benimmt sich alledings nicht scheu wie ein Reh, sondern eher wie das durch Verbiss ganze Wälder zerstörende Rotwild.
Es passiert wenig Handlung. Das überrascht mich nicht wirklich, denn was soll schon groß geschehen ohne moderne Medien in der Einsamkeit, wenn zwei Fremde sich erobern müssen?
Hier geht es um Grenzen: Austestung und Verletzung ¿ übrigens auf beiden Seiten. Erstaunliche Nähe versus Destruktion. Gegensätze und Parallelen. Hier geht es um Aufarbeitung auf vielfältigen Ebenen und in verteilten bzw. verdrehten Rollen. Stilistisch eingeläutet durch die Traumsequenzen an den Kapitelanfängen.
Es ist ein Frauenbuch. Obwohl Gunnur glücklich verheiratet zu sein scheint, bekommt ihr Mann keinen Raum. Raum bekommen die Mütter und Schwestern, die Bäuerinnen und Gunnur und das Reh. Ihre Stärken werden uns aufgezeigt, Stärken, die natürlich nicht ohne Schwächen daherkommen können. Die Autorin solidarisiert sich mit den Frauen, die stark sein müssen, um ihr Leben selbstbestimmt leben zu können.
Es ist ein anspruchsvolles Buch, da vieles zwischen den Zeilen steht. Auch im konzentriert-lesen-müssen ist es anspruchsvoll.
Es ist ein schönes Buch, in der Sprache, da besticht es. Und in vielen Schilderungen.
Die Islandliebe der Autorin gefällt mir, die sich nicht nur dadurch zeigt, dass sie Landschaft, Natur und Geschichte so leuchtend zeigt, sondern auch durch ihre kritischen Äußerungen.
Der Bruch liegt für mich im Spannungsbogen (einerseits), der schon im 3.Kapitel schwächelt und danach jäh nach unten geht. Andererseits im letzten Kapitel, das für mich nicht mehr schlüssig ist.
Ich habe die Autorin bisher gerne gelesen und werde auch wieder Bücher von ihr lesen, dieses hier hat mir zum Ende hin nicht so gefallen, aber ich bewerte es trotzdem eher positiv als negativ.