Johanna ist Synchronsprecherin seit ihrem elften Lebensjahr. Ihre Mutter hatte sie für ein Casting angemeldet und kurz darauf war sie zum Shootingstar avanciert. Johanna hat sich in der Branche einen Namen gemacht, ist breit aufgestellt, angenehm und unkompiziert in ihrem Wesen. Zehn Jahre später hat sie eine Agentin, die sie regelmäßig vermittelt und so was wie Burnout. Zu allem Übel hat Rosa, Johannas Freundin sich nach sieben Jahren getrennt, weil sie Kinder will und Johanna Kinder nicht ausstehen kann. Johanna nimmt sich eine zweiwöchige Auszeit, flieht aus ihrer Zweizimmerwohnung, die ohne Rosa still geworden ist und checkt in den Flieger an die Algarve ein. Im Atlantik surfen schwebt ihr vor, nur lernen muss sie es noch.Am strandnahen Boardverleih trifft sie auf die Portugiesin Luz (Lusch). Sie ist nicht nur Surftrainerin, sondern die Koryphäe im männerdominierten Sport. Ganz weit oben war sie, bis sie unfreiwillig geoutet wurde, aus dem Team flog und alle Sponsoren ihr den Rücken kehrten. Johanna leiht sich ein Board, macht keine gute Figur und lässt sich von Luz bevormunden. Tags darauf ist Johanna um 9 Uhr 30 wieder da, angezogen durch Luz Attraktivität und Fähigkeiten. Während des Trainings gesellt sich die sommersprossige Robyn zu Luz. Sie kommt aus Australien, lebt aber schon länger in Portugal.Fazit: Laura Naumann hat mich mit ihrer großartigen Geschichte im Sturm erobert. Sie zeigt das Leben ihrer sanftmütigen Protagonistin, die unter der großen Angst leidet, etwas falsch zu machen. Statt einen unbedachten Schritt zu gehen, macht sie lieber keinen. Und so treibt das Leben sie vor sich her. Ihre Familie aus dem Osten Deutschlands geht im Westen den Schritt in die Selbständigkeit und baut sich eine gut florierende Baufirma auf. Die Mutter realistisch, kühl und leistungsorientiert findet selten Zeit für ihre Tochter. Die wiederum verdient schon mit elf Jahren ihr eigenes Geld, hat aber nicht gelernt ihre Grenzen zu erkennen und Nein zu sagen. An der Algarve schlitterte sie in mehrere Fettnäpfchen, kommt sich aber auch näher. Ich habe die Geschichte so gerne gelesen, weil es um eine junge Frau geht, die Probleme mit sich selbst hat, obwohl ihre Eltern keine Monster sind. Und im Gegensatz zu verschiedenen anderen LGBTQ Geschichten geht es einmal nicht ständig um Begehren, Leidenschaft und den körperlichen Akt, auch das hat mir gut gefallen. Verschiedene Stilblüten, die ich sonst nirgendwo gelesen habe, fand ich besonders. Viele Dialoge sind realitätsnah in Englisch erzählt und obwohl ich keine Granate der englischen Sprache bin, habe ich das, worum es geht emotional erfassen können. Das war rundum gelungene Unterhaltung, die die Schwierigkeiten der Protagonistin ohne großes Pathologisieren aufgezeigt hat.