Wer ein Buch für einen Abend sucht, wird bei der Kurzgeschichte von Madeline Miller fündig. Das kleine Buch ist hochwertig gestaltet und modern illustriert.Inhaltlich widmet sich die Autorin dem griechischen Sagenstoff nach Ovid. In dessen Metamorphosen, einer Kurzgeschichtensammlung mythologischer Tradition, beschriebt dieser aus männlicher Sicht einen männlichen Protagonisten, welcher sich die für ihn perfekte Frau aus Marmor schlägt und von der Göttin Venus zum Leben erwecken lässt. Das Perfektion ein Fluch und kein Segen ist, verdeutlicht Madeline Miller in ihrer Kurzgeschichte. Sie beschreibt einen möglichen Verlauf der Kurzgeschichte nachdem Ovid endet. Freiheit und Selbstbestimmung sind für die weibliche Protagonistin Galathea (bei Ovid namenlos) nicht zu erreichen. Die Autorin beschreibt stilistisch dem Genre angepasst die Gefühlswelt einer vom Leben enttäuschten Frau und wie diese einen Ausweg sucht.Andere Kritiker werfen immer wieder den Preis für dieses Buch als obersten negativen Faktor auf. Doch was bekomme ich für die 20,00€ alles geboten? Eine wertige Aufmachung im Hartcover mit Goldprägung, einen farbigen Buchschnitt, moderne ganzseitige Illustrationen, farbige Seiten, die Schrift ist dunkelblau statt schwarz, ein Vorwort und die Kurzgeschichte der Autorin, ein Nachwort eines Philologen sowie Ovids Text. Ganz schön viel Inhalt auf 75 Seiten und ein zeitgenössisches, tagesaktuelles Thema, dass jeden und jede interessieren sollte.Niemand sollte sich die Perfektion als Maßstab für sein und ihr Handeln machen. Salvador Dali sagte mal: " Hab keine Angst vor der Perfektion. Du wirst sie nie erreichen." Nie habe ich diese Aussage besser verstanden. Perfektion ist Enttäuschung, zwangsläufig. Jeder macht Fehler, daraus lernen wir. Das macht uns aus. Niemand ist perfekt, also sollten wir unsere Erwartungen an uns, den Partner und die Gesellschaft zurückschrauben. Eine perfekte Welt malen wir uns in unseren Köpfen aus. Das Paradies als erstrebenswertes Vorbild ist jedoch nur ein Gedankenkonstrukt. Die Menschheit hält fest an dem Glauben, dies gibt ihr Kraft. Bedenken wir jedoch, dass das, was wir haben, echt ist. Die Realität sollte uns Anker und Richtschnur sein, kein Gott.Das Buch verdient es gelesen zu werden, nicht als Amuse-Gueule vor den Werken Circe oder Achilles, sondern als eigenständiges feministisches empowertes Wert.Galathea| Erzählung| Madeline Miller| aus dem englischen von Ursula C. Sturm| illustriert von Thomke Meyer| Eisele-Verlag| 2022| 75 Seiten| 20,00€