"Die Wälder" ist mein zweiter Roman von Melanie Raabe. Zuvor hatte ich bereits "der Schatten" gelesen und war restlos begeistert - ein atmosphärischer, spannender und schlau konstruierter Krimi mit Sogwirkung. Leider ist "die Wälder" so ziemlich genau das Gegenteil davon und ich bin ehrlich gesagt erstaunt darüber, dass beide Bücher von derselben Autorin stammen.In "die Wälder" geht es um Nina, Tim und Daniel. Die Drei kommen aus dem gleichen nicht weiter benannten Dorf, gelegen in den titelgebenden Wäldern und sind schon seit ihrer Jugend befreundet. Ihre Kindheit wird durch zwei einschneidende Erlebnisse geprägt - das Verschwinden von Tims Schwester Gloria und eine traumatischen Nacht, die die Freunde durchleben, als sich auf die Suche nach der Verschollenen machen.Einige Jahre später erhalten Nina und Daniel, mittlerweile Polizist, einen Brief vom kurz zuvor unerwartet plötzlich verstorbenen Tim, die ihre Erinnerung an die Begebenheiten ihrer Kindheit erneut aufwühlen. Die beiden machen sich auf den Weg in die Wälder um das Verschwinden von Gloria endgültig aufzuklären.Ein Handlungsstrang von "die Wälder" widmet sich den Begebenheiten in der Vergangenheit. Bereits dieser Teil der Geschichte wird unerfreulich gedehnt und auf eine unnötig verwirrende Art und Weise geschildert.Viel schlimmer gestaltet sich aber die Erzählebene in der Gegenwart, die zu gut 50% aus einer Autofahrt besteht, bei der Nina und Daniel mit sich selbst und miteinander darum ringen, ob und wie sie nun vorgehen wollen. Das ist an sich bereits nur mäßig spannend, dazu kommt aber noch, dass die beiden Figuren überaus anstrengend angelegt sind. Dabei fallen sie aber nicht in die Kategorie der "komplizierten, differenzierten Charaktere" sondern sind eher ein Abziehbild unnachvollziehbar agierender und denkender Thrillerprotagonist*innen, die die Handlung mit ihrem unsinnigen (und oft dämlichen) Vorgehen in die Länge ziehen. Sowohl Nina als auch Daniel benehmen sich unmotiviert impulsiv und verrannt, wechseln gleichzeitig aber auch ständig zwischen ihren Entscheidungen hin und her.Abgesehen von diesen beiden enervierenden Protagonist*innen greift Raabe auch noch zu einer ganzen Reihe an erzählerischen Not-to-dos aus dem Worst of des Thriller-Genres: Schwarz-weiß Bösewichte (der Hauptantagonist heißt allen Ernstes auch noch "Wolf"), billige Cliffhanger, Plot-Devices wie unrealistisch detailliert verfasste Briefe, Figuren mit über aus spezifischen und erzählerisch praktischen Anfällen von Amnesie, Schnulzszenen wie aus einem Bergdoktor-Groschenroman, geisterhaft hübsche Mädchen mit blasser Haut und dunklen Haaren, unlogische Verwechslungen - es ist so ziemlich alles dabei, was ein guter Thriller nicht braucht.Am Ende ist das einzig wirklich gruselige an "Die Wälder" die erschreckende Amateurhaftigkeit des Plots. Schade, nach "der Schatten" hatte ich eigentlich gehofft, eine neue Lieblingsautorin entdeckt zu haben.