Das trifft nicht nur auf die Protagonistin von Nora Bossongs RomanSchutzzone zu, sondern leider - so muss man nach der Lektüre der knapp 330 Seiten feststellen - auf das gesamte Buch.Was sollte mir hier eigentlich erzählt werden?Aber von Beginn an: Die Hauptfigur Mira arbeitet in Genf für das Büro der Vereinten Nationen. Sie ist für die Verhandlungen im Zypernkonflikt zuständig, die Leute sagen ihr nach, dass sie Menschen zum Reden bringen kann. Durch Rückblenden erfahren wir, dass Mira ihre Karriere in der UN in New York begonnen hat und sie zuletzt in Burundi aktiv war, wo sie für die Aufarbeitung des Völkermordes und die Bildung einer Wahrheitskommission verantwortlich war. In Genf trifft sie Milan wieder, einen Bekannten aus Kindheitstagen, mit dem sie eine Affäre beginnt, die, wie sie von Anfang an weiß, nicht gut enden kann.So weit der Plot, so gut.Nora Bossong gliedert ihren Text in Blöcke, die unter den essentiellen Begriffen "Frieden", "Wahrheit", "Gerechtigkeit", "Versöhnung" und "Übergang" zusammengefasst werden - Begriffe, die auch in Miras Arbeit eine zentrale Bedeutung spielen und gleichzeitig der Ausgangspunk für neue Konflikte sind, ohne dass die alten gelöst wurden.Tatsächlich finden sich zu diesem Spannungsverhältnis viele gute Sätze inSchutzzone.Die Rolle der UN wird durchaus kritisch hinterfragt, gleichzeitig wird deutlich, dass es keine Alternative zu ihr gibt. Spannend ist auch BossongsFokus auf die Entwicklung der Mitarbeiter: Jeder ist im Grunde seines Herzens ein Idealist und Weltverbesserer und muss sich mit seiner Funktion als kleines Rädchen im großen Getriebe der Welt zurechtfinden. Über die Jahre führt dies zu zweifelhaften Charakterzügen wie rigorose Selbstüberschätzung, depressive Resignation oder menschenfeindliche Gleichgültigkeit. Sicherlich überspitzt, dochBossong trifft damit einen wahren Kern und weiß mit ihren bissigen Kommentaren durchaus zu unterhalten.Man könnte also sagen,Schutzzone hat alles, was ein vielversprechender Roman braucht: eine politische Thematik, an der große moralische und ethische Fragen verhandelt werden können, einen scharfen Blick auf Figuren und das Umfeld, in dem sie agieren undeine elaborierte Sprache. Doch gerade letztere ist - und ich kann selber nicht glauben, dass ich das schreibe - die große Krux des Romans!Hier ist leider alles zu sperrig, zu assoziativ und zu entrückt; die Dialoge zu bedeutungsschwanger, die Gedankenströme der Protagonistin zu pseudophilosophisch. Das ganzeinhaltliche Potential geht in einem einzigen Wortschwall unter,sodass man den Kern der Geschichte nicht erfassen kann.Im deutschen Feuilleton wird eine solche Schreibweise ja häufig als kunstvoll und virtuos empfunden, hinter schwammigen Andeutungen lauert dann die ganz große Wahrheit, die nur für Eingeweihte zu entdecken ist. Vermutlich gehören die Jurymitglieder des Deutschen Buchpreises zu diesem illustren Kreis und konnte den Roman daher guten Gewissens 2019 auf die Longlist setzen.Der gemeine Leser bleibt hier leider außen vor und kann nichts anderes tun, als sich diesen Roman zu quälen, der von Seite zu Seite zäher und wirrer ist und mit einer enorm unmotivierten und störenden Liebesgeschichte (die ich hier dezidiert noch negativ hervorheben muss) aufwartet.Da können alle noch so interessanten Gedanken über Verantwortung und Wahrheitsfindung den Gesamteindruck nicht mehr retten.2 Sterne und keine Leseempfehlung!