Die Familie Schönwald scheint auf den ersten Blick eine saturierte Familie zu sein. Die Eltern Ruth und Harry, sind seit Jahrzehnten verheiratet, er ein emeritierter Staatsanwalt, sie hätte gerne eine Universitätskarriere gelebt, doch mit drei Kindern gesellschaftlich seinerzeit nicht möglich, eine heimliche Affäre aber schon. Die drei gemeinsamen Kinder Chris, Karolin und Benni sind erwachsen und führen jeweils ihr eigenes Leben.
Doch wenn man ein wenig an der glänzenden Oberfläche kratzt, ist der Lack schnell ab und die Familie entpuppt sich schnell als allzu durchschnittlich.
Chris, der Älteste früher als Wunderkind apostrophiert, ist bereits in jungen Jahren Professor für Literatur an der Uni in New York. Als er über einen peinlichen Vorfall stolpert, bringt er es nicht fertig, seine Familie über sein Karriereende zu informieren.
Tochter Karolin, geschieden, kann sich nicht zwischen hetero- und homosexuellen Beziehungen entscheiden und führt in Brandenburg eine Buchhandlung.
Und dann gibt es noch den Nachzügler Benni, der mit seiner vermögenden Frau in einem bescheidenen Haus in der Uckermark lebt.
Klingt alles nicht so spektakulär, oder?
Just bei der Eröffnung der Buchhandlung, die sich als queere Buchhandlung outet, kommt es zu einem Anschlag von Aktivisten, die behaupten, das Geld für den Buchladen stamme aus dem Vermögen des Großvaters, der es in der NS-Zeit angehäuft hätte.
Meine Meinung:
Leider bin ich mit dieser Familiengeschichte nicht wirklich warm geworden. Zum einen erscheinen mir die Charaktere ziemlich blass, haben wenig Ecken und Kanten und zum anderen habe ich erwartet, dass die Geschichte des Großvaters eine größere Rolle spielt. Tut er irgendwie nicht. Jedes der drei Kinder hat Geld aus dem Nachlass des Großvaters erhalten, warum also eskaliert die Eröffnung dieses Buchladens?
Interessant ist, dass jedes Mitglied der Familie Schönwald etwas zu verbergen hat. So wirkt die Familie ziemlich dysfunktional auf mich. Dieser Eindruck wird noch verstärkt, weil Autor Philipp Oehmke in diesem Romandebüt häufig zwischen den Schauplätzen und den Charakteren herumspringt. Der häufige Perspektivenwechsel entwickelt eine eigene Dynamik, die durch einige eher langweilige Passagen abrupt stoppt. Dann nerven mehrfache Wiederholungen genauso wie die geschilderte Propaganda von Chris, der sich vom links-liberalen Professor zu einem Trump-Anhänger entwickelt hat.
Der Klappentext und der Einstieg mit dem Hinweis auf das angeblich unredlich erworbene Vermögen (Nazi-Geld) des Großvaters haben mich in eine völlig falsche Richtung gelotst. Hierzu hätte ich mir mehr zu lesen, erwartet.
Es finden sich viel zu viele gesellschaftspolitische Themen in diesem Roman, die leider nicht alle mit der gebotenen Intensität besprochen werden können. Das eine oder andere wird lediglich angerissen und bleibt halbfertig im Raum stehen. Da wäre wohl weniger mehr gewesen. Nicht alles, was einen Autor berührt oder was er weiß, muss dem Leser detailliert nahe gebracht werden.
Zu dieser Familie fallen mir gleich zwei Zitate aus Heimito von Doderers (1896-1966) Werken ein: Wer sich in Familie begibt, kommt darin um oder ein Nicht Schweigen, sondern Schwatzen ist das Gegenteil des Sprechens..
Fazit:
Dieser Roman hat seine eigene Dynamik, die Figuren selbst bleiben blass und haben mich nicht überzeugt. Deshalb gibt es nur 3 Sterne.