Im Sommer 1982 feiert ganz Italien ausgelassen den Titel als Fußballweltmeister, als in einer ruhigen Gegend in Rom eine 18jährige Angestellte des Vatikans verschwindet. Ihre grausam verstümmelte Leiche wird bald im Tiber aufgefunden. Der zuständige Commissario Michele Balistreri, ein junger Frauenheld, dem eigentlich mehr der Sinn nach Feiern steht, nimmt nachlässig die Ermittlungen auf. Dieser Teil wird aus der Perspektive Balistreris geschildert und so ist man ihm und seiner Sichtweise sehr nah. Mich faszinierte der junge Draufgänger, der eigentlich nur Sex, nächtliche Pokerrunden, Alkohol und Zigaretten im Kopf hat, obwohl er ein hochintelligenter Mensch mit eigenen Moralvorstellungen ist. Balistreri tritt respektlos auf und durch seine Arroganz entgehen ihm wichtige Details, die zur Aufklärung hätten führen können.Über 20 Jahre später, im Jahre 2006 ist der Fall immer noch ungelöst, es ist wieder Weltmeisterschaft, aber ansonsten ist alles anders. Aus dem jungen Balistreri ist ein desillusionierter, gesundheitlich angeschlagener Commissario geworden, der nur mit Magentabletten und Antidepressiver über den Tag kommt. Frauengeschichten gibt es schon lange nicht mehr und Zigaretten und Alkohol nur noch in Maßen. Ein Resultat seiner Schuldgefühle, die er zu verdrängen versucht, indem er jeglichen Freuden des Lebens entsagt.S.284 Er war nur noch auf der Suche nach Mördern, nach Liebe ganz bestimmt nicht mehr.Als plötzlich wieder misshandelte und ermordete junge Frauen auftauchen, stürzt sich der vom Leben enttäuschte Balistreri verbissen in die Jagd nach dem Serienmörder, denn seinen Sinn für Gerechtigkeit hat er nie verloren. Endlich scheint Balistreri bereit dafür zu sein, die Wahrheit über den Täter und seine Opfer herauszufinden. Das ist schwierig, muss er sich doch dafür seinen alten Fehlern und unbequemen Tatsachen stellen.S. 357 Er hatte Jahre gebraucht, um ein vernünftiger Erwachsener zu werden, der um seine Pflichten, Risiken und Fehltritte wusste. Nun bot sich die Gelegenheit, den oberflächlichen Mike Balistreri, den draufgängerischen, kompromisslosen Abenteurer endgültig zu begraben.Zusammen mit dem Commissario verfolgt man die mühsame Ermittlungsarbeit, entschlüsselt man ein Rätsel nach dem anderen, nimmt man teil an seinen Grübeleien und der eigenwillige Protagonist wächst einem ans Herz.Diesen Teil erzählt Roberto Costantini nun aus unterschiedlichen Perspektiven und man verfolgt als Leser gebannt jede Wendung und lange hat man keine Vorstellung davon, wie die Mordfälle mit dem alten Fall von 1982 zusammen hängen.Verschiedene Hinweise deuten auf das Casilino 900, einem Roma- Lager mitten in Rom und an der Aktualität dieses Themas hat sich nichts geändert.S. 192 Das wohlgenährte Land war überaltert, müde und faul. Der einzige Ausweg aus dieser Misere waren junge Einwanderer, vor denen man sich in Italien allerdings gewaltig fürchtete, zumal es keine Integrationspolitik gab, ganz zu schweigen von einem Wirtschaftskonzept, das eine solche hätte befördern können.Dem Autor, der sich als ein genauer Beobachter der Gesellschaft zeigt, gelingt es eindrucksvoll, vor allem die Machtspiele hinter den Kulissen der Politik und der Kirche darzustellen und rausgekommen ist ein sehr komplexer Thriller mit einem intelligenten, genial konstruierten Plot.S. 88 Auf der anderen die Gauner und Betrüger, auch die vielen in Anzug und Krawatte, die in den Aufsichtsräten, im Parlament, in der öffentlichen Verwaltung und im Vatikan saßen.Die Vielschichtigkeit dieses anspruchsvollem Debuts verlangt dem Leser ein hohes Maß an Aufmerksamkeit ab, da der Autor sehr viele Charaktere in Szene setzt, die er alle vielschichtig und individuell angelegt hat. Besonders gut gelungen ist ihm dabei die Hauptfigur Michele und deren Entwicklung über den langen Zeitraum. Im Endeffekt war mir vielleicht der ein oder andere Schlenker zu viel und das Ende nicht ganz so glaubwürdig.Trotzdem ein packender Thriller auf hohem sprachlichem Niveau spannend bis zum Schluss. Den bereits erschienenen 2. Teil der Trilogie werde ich mir auf jeden Fall auch vornehmen.