Es gibt Bücher, die bereits auf der ersten Seite faszinieren, und man weiß gleich - das ist mein Lieblingsbuch, mein Glück für die nächsten Tage. "Bevor ich erkannte , dass es überhaupt angefangen hatte, hatte die Reise schon begonnen. Es war eine Suche nach der Wahrheit, die mich quer durch Europa führen sollte, durch die Vergangenheit und die Gegenwart". So die irisch-deutsche Autorin und Journalistin Svenja O'Donnell über die Arbeit an ihrem Buch zur Geschichte ihrer ostpreußischen Familie.Die wohlhabende Königsberger Familie betreibt eine Weinhandlung, man kann sich einiges leisten, Tochter Inge wird noch 1940 zur Ausbildung an das bekannte Lette-Haus Berlin geschickt. Die Zukunft, die schreckliche, die hatte man sich da wohl noch unbelastet schön gemalt.Doch der Krieg kommt näher und auf der Flucht aus Königsberg strandet die Familie 1945 in Dänemark. Das Gefühl der Unerwünschtheit, Verlorenheit wird hier sehr gut herausgestellt. "Es fällt schwer, sich Deutsche als Flüchtlinge vorzustellen, so sehr sind sie durch die Last der Verbrechen definiert, die im Namen ihrer Nation begangen wurden. Aber das Dasein als Flüchtlinge war Wirklichkeit für meine Familie - heimatlos und ohne einen Zufluchtsort an den sie sich wenden konnten." Alle von ihr beschriebenen Orte hat die Autorin selbst besucht und insbesondere dadurch für uns erfahrbar gemacht. "Seltsam, wie die körperliche Begegnung mit Orten die Vergangenheit real werden lässt." Svenja O'Donnell zeigt, schreibt und erzählt so wunderbar, dass ich das Buch kaum aus der Hand legen kann. Detail- und kenntnisreich werden wir mit Inge durch geschichtliche Zusammenhänge und Kriegsgeschehen geführt . Und der Stoff ist keineswegs nur für ältere Leser/innen interessant - ganz im Gegenteil. Durch Bezüge zum Leben im Hier und Jetzt, Selbstreflektion und Empathie ist dieser Dokumentarroman besonders auch für junge Leute geeignet. Das Buch ist zudem schön ausgestattet mit vielen Fotos, Karten und Quellen-/Literaturangaben. Es wurde von Sabine Schilasky und Ulrike Strerath-Bolz hervorragend übersetzt. Svenja O'Donnell recherchiert bereits für ihr nächstes Buch. Ich hoffe, ach nein - ich bin sicher, der Verlag Droemer Knaur freut sich darauf genauso sehr wie ich.