Luise Schilling kommt 1923 an die Kunstschule Bauhaus in Weimar, sie möchte Architektin werden, doch Direktor Gropius schickt sie in die Webwerkstatt . Das ist eigentlich nicht abwertend zu sehen, denn das Bauhaus wollte ja die Unterscheidung zwischen Künstler und Handwerker aufheben und so gerade das Kunsthandwerk neu beleben. Gesellschaftliche Unterschiede sollten damit beseitigt werden und Arbeitsgemeinschaften branchenspezifische Schranken aufheben. Luise wird das besonders von ihrem Lehrer Johannes Itten nahegebracht, sein ganzheitliches Reformkonzept umfasst nicht nur das gemeinschaftliche Leben, Arbeiten, Wohnen, sondern gibt auch Leitlinien in Bezug auf Meditation, Naturerfahrung, Kleidung und Ernährung. Diese Ideen wurden übrigens auch architektonisch wie z.B. mit der Gartenstadtbewegung und Gründung von Siedlungsgenosschaften umgesetzt.Die Liste ihrer Lehrer ist eindrucksvoll und bedarf keiner weiteren Erläuterung: Kandinsky, Klee, Schlemmer, Moholy-Nagy ¿ diese Meister stehen jedoch nicht häufig zur Verfügung, geht doch ein jeder eigene künstlerische Wege, so werden Seminare oft nur angeschoben, Projekte nur kurz vorbesprochen, schnell Arbeitsgruppen gebildet - und die Studenten dann zur selbstständigen Arbeit angehalten.Luise wird später doch noch zum Studium der Baulehre zugelassen, doch mit dem Umzug nach Dessau und Gropius` starke Einbindung in diverse Bauprojekte, gelingt es ihr gerade noch, die Diplomprüfung zu bestehen, bevor der Gründer seine Schule verlässt und Hannes Meyer und später Mies van der Rohe.Theresia Enzensberger zeigt in ihrem Debütroman die Entwicklung der naiven, leicht zu beeinflussenden Studentin zu einer eigenständigen, selbstbewussten jungen Frau, mit allem, was auch heute noch ein Studentenleben ausmacht: Liebeleien, viele Feste, Wohnungs- und Geldnöte, Suche nach Orientierung und erster beruflicher Festigung.¿Theresia Enzensberger macht die Bauhaus-Jahre zu einem Moment der Gegenwart¿ ¿ so urteilt Florian Illies über den Roman. Das ist richtig und insbesondere zur Orientierung im 100. Bauhausjahr 2019 wichtig.Der Lesegenuss wird jedoch eben durch diesen ¿Moment der Gegenwart¿ beeinträchtigt, denn der Autorin gelingt die sprachliche Verankerung in den 1920er Jahre nicht. Beispiele:Luise unter Abgabezeitdruck: ¿Ich befinde mich in einer Art Limbo¿ ¿ diese Übernahme aus dem Amerikanischen war damals ganz unbekannt.Luises Mutter spricht von ¿Emanzen¿ ¿ ein Begriff der 1970er Jahre¿Mit beinahe forensischem Interesse verfolge ich jede ihrer Bewegungen¿ ¿ so hat Luise weder gesprochen, noch gedacht ¿ unverkennbar, diese Wendung kommt aus dem Hier und Jetzt.Und sehr häufig finden sich in Luises Gedanken Wendungen wie: ¿Ich bin überfordert mit der Entscheidung und kann die Ereignisse nicht einordnen¿ ¿ diese ¿Überforderungssätze¿ scheinen direkt aus Frau Enzensbergers privatem Sprachgebrauch zu kommen. Ich bezweifle, dass Luise so dachte .Trotzdem: Ich habe den Roman gerne und mit großem Interesse gelesen, er ist mir wertvolle Vorbereitung auf meine Reise nach Weimar und Dessau zum Bauhaus-Jubiläum. Und ja ¿ die Blaupause nehme ich mit.