Die 18jährige Clara möchte ihrem Vater nacheifern und Fotografin werden. Doch allesgerät durcheinander, als sie Freddy aus Hamburg kennenlernt und sich in ihn verliebt. Zusammen mit ihrer besten Freundin -der 20jährigen Sanni- die von einer Schauspielkarriere träumt, verlässt sie in einer Nacht und Nebel Aktion München, und per Anhalter machen sich die beiden auf den Weg nach Hamburg. Auf dieser Fahrt lernen sie das italienische Geschwisterpaar Dino und Maria kennen, die vier freunden sich an und werden im Laufe der Geschichte viel gemeinsam durchleben. Clara und Sanni sind schon sehr leichtgläubig und haben sich das Leben in Hamburg einfacher vorgestellt. Aber die beiden gehen ihren Weg und auch wenn es Rückschläge gibt, rappeln sie sich wieder auf.
Die Autorin greift viele wichtige Meilensteine der 60er Jahre in diesem Roman auf. Wie zum Beispiel die Rolle der Frauen, Antibabypille, den Mauerbau, die Beatles, die Aufruhr der Jugend, Gastarbeiterzuzug, der Besuch Kennedys in Berlin, das Attentat auf ihn, die Prozesse um Auschwitz und letztlich auch der Umgang der Gesellschaft mit der Nazi Vergangenheit. Ganz schön viel Inhalt auf 592 Seiten, die aber erst einmal angefangen- schnell gelesen sind. Das dies der dritte Teil der Gutsherrin-Saga ist, war mir nicht bekannt und der Roman lässt sich problemlos ohne diese Vorkenntnisse lesen. Ich habe es zumindest überhaupt nicht gemerkt und konnte sofort einsteigen und habe mich zurechtgefunden. Tatsächlich hat mich das Cover und der Titel angesprochen: eine junge Frau, die in Hamburg an der Alster Fahrrad fährt. Kleidung und Fahrzeug lassen auf die 60er Jahre schließen, ein Jahrzehnt, welches mir selbst am Herzen liegt, bin ich doch eine dieser geburtenstarken Jahrgänge.
Den Beginn dieser Geschichte empfand ich leider als etwas langatmig, dieser hätte für meinen Geschmack kürzer ausfallen können. Erstaunt war ich auch, dass Claras und Sannis Eltern nichts dagegen unternommen haben, ihre Töchter nach München zurückzuholen. Schließlich war man damals erst mit 21 volljährig. Auch wurden die Töchter nicht in Hamburg besucht, spätestens bei Sichtung der Wohnverhältnisse, wäre ihr Leben in Hamburg wohl vorbei gewesen. Aber sei es drum. Nach dem ersten Drittel wurde es spannend und die Geschichte nahm an Fahrt auf. Besonders beeindruckt hat mich der Prozess um Ausschwitz. Bekam damit, der sonst eher leichte Roman, doch noch eine ernsthafte Note, die das Buch umso lesenswerter macht. Die 60er Jahre waren eine aufregende Zeit, vieles war im Umbruch. Alte Werte wurden in Frage gestellt, die Jugend ließ sich nicht länger bevormunden und lebte ihr Leben. All das versucht Theresia Graw in ihrem Roman näher zu bringen. Sie schafft es, das Interesse für dieses Jahrzehnt zu wecken. Mir hat der Roman- trotz kleiner Abstriche- wirklich gut gefallen und ich vergebe 4 Sterne zur Leseempfehlung