Als Nancy Clutter an einem schönen Novembertag 1959 einem jungen Mädchen aus dem Ort zeigt, wie man einen Kirschkuchen backt, ahnt sie nicht, dass dies der letzte Tag in ihrem und im Leben ihrer Eltern und ihres Bruders sein wird. Am nächsten Morgen ist die vierköpfige Familie tot, brutal und kaltblütig ermordet.Mit diesem Buch hat Truman Capote einen Tatsachenroman geschaffen, der analytisch, klar, emotionslos und präzise einen der wohl berühmtesten Kriminalfälle in den USA aufarbeitet. Hierfür hat der Autor sich mit den Ermittlungsakten und Vernehmungsprotokollen beschäftigt und in unzähligen persönlichen Gesprächen mit den ermittelnden Beamten, Angehörigen, Nachbarn, aber auch den Tätern und deren Familien die Chronologie der Tat und das Wesen der Täter ergründet.Das Buch ist in vier Teile gegliedert. Im Ersten wird der letzte Tag im Leben der Familie Clutter minutiös nacherzählt. Eine ungewöhnliche Herangehensweise, aber angesichts des Wissens des Lesers um das Schicksal der Familie unglaublich berührend. Im zweiten Teil spürt der Autor dann den Tätern nach, die der Leser ja bereits kennt, die sich der Strafverfolgung aber noch entziehen können. Man erfährt mehr über ihr bisheriges Leben und, wie sie die Zeit nach der Tat verbringen. Hier bekommt man als Leser bereits ein ziemlich gutes Bild der Beiden und die Frustration. Im dritten Teil dann werden die Ereignisse beschrieben, die zur Verhaftung führten und wie im Anschluss daran die ersten Verhöre durchgeführt wurden, während der vierte und letzte Teil sich dann mit der Verurteilung und der Zeit der Haft bis zur Hinrichtung beschäftigt.Was das Buch beschreibt würde man heutzutage als True Crime bezeichnen, ein wahres Verbrechen und die tatsächlichen Ermittlungen zum Fall, inklusive realer Ermittler. Der Autor schafft es sehr gut die Stimmung wiederzugeben, die nach der Tat in der Bevölkerung herrscht, die Angst und auch das Mißtrauen. Die Frustration über die schleppenden Ermittlungen und deren Auswirkungen auf die Beamten und deren Familie wird genauso deutlich beschrieben, wie auch die Trauer der Hinterbliebenen, wobei man als Leser über manche Gepflogenheiten, die damals dem Zeitgeist entsprochen hat, heute nur den Kopf schütteln kann. So etwa, wenn eine andere Tochter der Familie nur wenige Tage nach dem Begräbnis heiratet, eben weil grad alle Familienmitglieder vor Ort sind, oder wenn das Inventar der Farm der Opfer genau einen Tag vor Beginn des Prozesses versteigert wird. Dinge, die uns heute unverständlich, damals aber vollkommen normal waren und so ein sehr authentisches Bild vermitteln. Und es sind eben auch die Tatsachen, genau so ist es eben gewesen. Capote verschweigt nichts, Beschnitt nichts und wertet nicht. Seine einzige Intention ist es eine chronologische Analyse dieses furchtbaren Verbrechens zu liefern. Man könnte dabei den Titel des Buches "Kaltblütig" auch ebenso auf ihn und nicht nur auf Tat und Täter anwenden, denn letztlich ist auch seine Herangehensweise nur mit kaltblütig zu beschreiben.Truman Capote ist zweifellos ein Meister der Worte und natürlich kommt das hier auf jeder Seite zum Ausdruck, er schreibt allerdings sehr emotionslos, was aber nicht heißt, dass das Buch keine Emotionen weckt. Diese beim Leser zu erzeugen versteht der Autor auf unbeschreibliche und vielfältige Weise. Auch wenn man ja von der ersten Seite an weiß, was passiert, sind einem die Täter manchmal fast sympathisch, ständig fragt man sich was wohl anders gelaufen wäre, wenn der kleine Perry eben nicht so eine schwere Kindheit gehabt hätte, oder ob die Wesensänderung bei Dick tatsächlich auf seinen Unfall zurückzuführen ist, oder ob die Beiden eben einfach nur schon böse auf die Welt gekommen sind und keine elterliche Liebe und Fürsorge konnte daran etwas ändern. Auch die Tatsache, dass man den Fall als eine lange Reihe von unglücklichen Zufällen bezeichnen kann, täuscht letztlich nicht darüber hinweg, dass die Täter aus purer Geldgier brutal gemordet haben. "Kaltblütig" ist zurecht ein Klassiker der Kriminalliteratur und sicher Vorbild für viele spätere Tatsachenromane. Capote hat damit sein schriftstellerisches Können eindrucksvoll unter Beweis gestellt, obwohl das Buch durchaus in Kontrast zu seinen anderen Werken steht. Im letzten Teil hat der Autor sich kurzzeitig etwas verloren. Wenn er tiefer auf das amerikanische Rechtssystem blickt fand ich das zwar interessant, aber für die Story an sich eher unerheblich. Was ich hieraus aber mitnehme ist die Aktualität zum Thema Todesstrafe als solche, gerade auch im Bezug auf die Opfer und in wie weit der Tod der Täter ihnen tatsächlich Seelenfrieden bringt und einen Abschluss bedeutet.