Ruth Meyer wächst behütet im Krefeld der 1920er Jahre auf. Ihr Leben kennt keine Einschränkungen, da ihr Vater genügend verdient, um seiner Familie alle Wünsche und ein schönes Leben zu ermöglichen. Doch mit Hitlers Machtübernahme in den 30er Jahren ändert sich das Leben der Familie Meyer schlagartig, denn sie sind jüdisch und haben immer mehr unter der umschlagenden Stimmung zu leiden...
Dieser Roman ist viel mehr ein Zeitdokument als Unterhaltungsliteratur. Bereits zu Beginn wird ein Tagebucheintrag von Ruth Meyer vorangestellt, der verdeutlicht, dass es sich bei der Familie Meyer um eine jüdische Familie handelt, die tatsächlich in Krefeld gelebt und gewirkt hat. Ruth Meyers Tagebucheinträge sind ihrem Original-Tagebuch entnommen und Ulrike Renk hat ihre Geschichte rekonstruiert und in Romanform gebracht. Der vorliegende Roman ist somit der Auftakt einer Trilogie, die sich das Schicksal der Familie Meyer annimmt, die in Krefeld gelebt hat, als der Nationalsozialismus über Deutschland herein kam.
Wir verfolgen das Leben der Familie Meyer, das vor allem in den 1920er Jahren fast nur schöne Seiten aufweist. So werden wir in einen Familienroman eingeführt, der vor allem eins ist: schön. Ich finde diese Einführung sehr wichtig, weil sie sehr gut vor Augen führt, wie integriert jüdische Familien waren, so dass das ganze kommende Gräuel noch unverständlicher und grausamer wird. Fluchtgespräche sind schon länger Thema, aber nur die pessismistischsten Leute rechnen wirklich mit dem Schlimmsten, was noch nicht mal annährend an die Realität heran kommt. So beschleicht einem beim Lesen immer wieder ein ungutes Gefühl und eine Hilflosigkeit.
Neben den historischen Entwicklungen liegt das Augenmerk vor allem auf dem Alltag der Familie. Familienprobleme, jüdische Feste in einer christlich-geprägten Gesellschaft (Weihnachtsbaum an Chanukka?), das Auf und Ab des Liebeslebens einer Jugendlichen, Urlaube, Arbeit und Freizeit - all das wird an Themen aufgegriffen und somit wird das Buch für mich wirklich zu einem Zeitdokument, das vielleicht nur wenig dramaturgische Spannung aufweist, aber dafür umso spannender vom interessanten Inhalt her ist.
Da die Autorin viel um die Familie Meyer herum recherchiert hat, kann ich dieses Buch empfehlen. Es gibt dem Leser die Chance, das Schicksal einer jüdischen Familie in Nazi-Deutschland zu verfolgen, ohne zu einem schweren Sachbuch greifen zu müssen.