"Ein Buch, in dem sich alle sehen können", dachte sich der Duden-Verlag wohl und gab diesem Sammelband "Vielfalt" einen spiegelnden Einband. Ein witziger Effekt, der zugleich zeigt: Dies ist kein Duden-Werk wie jedes andere. 100 Betroffene (und) Expert*innen schreiben hier eine Doppelseite lang über Aspekte von Identitäten.Was dieser Duden dann doch mit Standard-Nachschlagewerken gemeinsam hat: Er liest sich nicht mal eben von vorne bis hinten weg. Zum einen, weil Vielfalt in dieser Welt oft eng verknüpft ist mit schmerzhaften Diskriminierungserfahrungen. Zum anderen, weil dies wiederum dazu führt, dass viele Autor*innen das Bedürfnis haben, am Ende ihrer Texte nochmal zu betonen, dass Menschen gleichwertig behandelt werden sollten. Das stimmt natürlich absolut, ist auf Dauer aber etwas anstrengend zu lesen. Auch das Vorwort und die Einleitung doppeln sich etwas.Interessant ist, dass den Texten jeweils der Eintrag aus dem Mainstream-Duden vorangestellt ist, der mit der diskriminierungssensiblen Erklärung nicht immer übereinstimmen. Zeichnungen und Kurzbios der Autor*innen runden die Beiträge ab. Weiterführende Links ergänzen sie, was meiner Meinung nach eine gute Lösung ist: Eine Doppelseite ist ein gutes Maß, einen Einstieg, eine Zusammenfassung zu geben - gleichzeitig ist Geschichte, Debatte und persönliches Empfinden von Identität natürlich nichts, was sich immer in so einen kleinen Rahmen pressen lässt.Auch als Person, die sich in vielen Diversitätsthemen schon ganz gut auskennt, konnte ich aus dem Buch noch einiges lernen. Oder Anregungen für die nächste Diskussion oder Erklärungsrunde mit Menschen mitnehmen, die sich mit den entsprechenden Diskursen noch nicht so sehr beschäftigt haben. Bei manchen Beiträgen hatte ich den Eindruck, dass die Formulierung für Menschen, die keinen akademischen Hintergrund haben, vielleicht noch nicht zugänglich genug ist. Und wenn so viele unterschiedliche Menschen an einem Buch beteiligt sind, bleibt leider auch nicht aus, dass mal eine unschöne Formulierung bezogen auf eine andere Diskriminierung durchrutscht, während man die eigene erklärt. Besonders enttäuschend ist aber, dass das versprochene barrierefreie E-Book soweit ich mitbekommen habe gar nicht zur Verfügung steht (oder, sollte sich das inzwischen geändert haben, zumindest erst sehr spät).Trotz der Kritikpunkte ein cooles Projekt und ein Nachschlagewerk, das es sich lohnt, im Regal zu haben :)