Schon mit "Wie die Sonne in der Nacht" hat mich Antje Babendererde gekonnt in die Indianerwelt entführt und das ist ihr hier aufs Neue gelungen.
Mein wirklicher Vater war keine harmlose Affäre, nein er hat sogar einige Jahre mit mir gelebt, sich um mich gekümmert, mich vielleicht sogar geliebt? Für Jacob bricht eine Welt ein, als er nach einem Streit mit seinem verhassten Adoptivvater erfährt, dass nichts so ist, wie er immer geglaubt hat, und seine Mutter seinen Erzeuger sehr wohl kennt. Er macht sich Hals über Kopf auf die Suche, erfährt von einer Bekannten, dass es sich um einen Cree Indianer handelt und schon kurz darauf sitzt man als Hörer mit ihm im Flieger in den Norden Kanadas. Dort angekommen beginnt eine aufregende, spannende Spurensuche nach seinem Vater aber auch nach seinem eigenen Ich, die tief in die Wildnis führt, viele Gefahren in sich birgt, die aber auch vieles über das Leben der Indianer erzählt und zudem noch Schmetterlinge im Bauch fliegen lässt. Mehr will ich gar nicht verraten, selber Lesen oder Hören ist angesagt.
Weil sie mit so gut gefallen haben, muss ich aber unbedingt noch die zahlreichen Denkanlässe erwähnen, die versteckt sind. Dieses Mal legt die Autorin ihr Hauptaugenmerk meiner Meinung nach auf Toleranz gegenüber Andersdenkenden, wozu sie Kimis Großvater Anak Furchtbares aus seiner Vergangenheit an einer Missionsschule, wo ihm Nonnen das Indinanersein austreiben wollten, erzählen lässt, das tief schockiert und auch auf das Thema Massentierhaltung. Muss man auf Fleisch verzichten oder kann man das Töten dafür und Lebewesen mit Respekt behandeln vereinbaren? Hier darf man selbst seine Schlüsse ziehen, ohne dass die Autorin einen erhobenen Finger zeigt. Sicher nicht ganz verkehrt ist auch wieder einmal in Erinnerung gerufen zu bekommen, dass es tatsächlich auch ein Leben ohne Smartphone und Technik gibt, und Dinge, wie fließend warmes Wasser eigentlich viel mehr geschätzt werden sollten.
Der Sprachstil der Autorin ist sehr einnehmend. Ich war sofort in der Geschichte gefangen und die richtige Mischung aus berührend, spannend und interessant hat mich wie gebannt bis zum Ende hören lassen. Sie beschreibt äußerst anschaulich und mit vielen Bildern, sodass ich von Anfang an das Gefühl hatte mit vor Ort sein zu dürfen. Ich konnte die bittere Kälte fast selbst spüren, hatte die tief verschneite Landschaft richtig vor Augen, hatte stellenweise das Gefühl mir bleibt das Herz stehen, als Jacob z.B. plötzlich völlig alleine inmitten von Nirgendwo steht, in einem unerwarteten Augenblick ein Bär oder Wolf um die Ecke kommen, teilweise auch angreifen, oder jemand im Eis einbricht. Selbst den Geruch von gebratenen Wildgänsen meinte ich riechen zu können. Richtig gut hat mir auch die Liebesgeschichte gefallen, die sich so zart und vorsichtig entwickelt, die so voller Unsicherheiten und Auf und Ab steckt und vor allem niemals kitschig wird, sondern richtig berührend erzählt wird. Auch auf eine wohl dosierte Portion Witz und Humor muss man nicht verzichten, was nie verkehrt ist. Da macht sie eine Kimi schon mal über Jacobs Ängste lustig, oder eine peinliche Szene sorgt für ein Grinsen im Gesicht. Indianergeschichte ohne Mystisches, das geht natürlich auch nicht. Auch wenn ich nicht an Seelenwanderung oder ähnliches glaube, konnte ich die Vorstellungen und den Glauben der so ursprünglich lebenden Bewohner mehr als gut nachvollziehen. Alles in allem wirklich ein toll geschnürtes Gesamtpaket.
Ich habe die Geschichte richtig mit Jacob durchlebt. Schon von Anfang an hat er mir richtig leid getan. Wie schlimm muss es sein, wenn man plötzlich erfährt, dass einen die eigene Mutter ein Leben lang angelogen hat, einem jegliches Vertrauen genommen wird? Ich mochte ihn mit seiner natürlichen Art super gerne. Trotz aller Ängste ist er mehr als taff, wer in seinem Alter wagt sich schon alleine in die Wildnis Kanadas? Auch Kimi habe ich schnell in mein Herz geschlossen, dazu musste ich gar nichts von ihrem schweren Päckchen aus der Vergangenheit erfahren, das sie zu tragen hat. Eine richtig gute Seele ist sicher auch ihr Ziehvater Anak und auch Louise, die Bekannte von Jacobs leiblichem Vater, hat mehr als ein großes Herz. Gut gefallen hat mir auch die tiefe Verbundenheit von Vater Craig zu seinem Sohn Jacob, die man regelrecht spüren kann. Die Charaktere sind wirklich toll gezeichnet. Nicht nur einen Schauder jagt einem im Übrigen ein Maik über den Rücken, aber da will ich nicht zu viel verraten.
Die Geschichte wird zu einem Großteil aus Jacobs Perspektive erzählt, aber auch aus Kimis bekommt man einiges geboten, und erfährt so was in beiden vor sich geht. Die Idee hier zwei Sprecher an den Start gehen zu lassen hat mir schon beim letzten Hörbuch gefallen, macht es doch den Vortrag noch lebendiger und abwechslungsreicher. Aleksandar Radenkovic kannte ich schon. Ihm gelingt es unheimlich gut die richtige Atmosphäre zu transportieren und ich höre ihm total gerne zu. Richtig grandios fand ich hier z.B. auch die Stimme, die er dem alten Anak verleiht, ich konnte ihn mir so richtig vorstellen. Carla Swiderski, die mir bisher unbekannt war, ist für mich okay für ein Mädl in Kimis Alter. Begeisterungsstürme löste sie bei mir jedoch nicht aus, wobei ich gar nicht so genau begründen kann warum. Ihre Stimmlage war einfach nicht ganz so meines, aber das meiste liest ja sowieso Aleksandar Radenkovic.
Alles in allem gibt es von mir für diese spannend, fesselnde Reise in die Welt der Indianer eine absolute Hörempfehlung und redlich verdiente fünf Sterne.