Ecrasez l infame! Für die Freiheit des Wortes!
So lautet der Kampfruf Voltaires, einem der berühmtesten Väter der Aufklärung. Das Infame, Niederträchtige bedroht die Freiheit des Gedankens. Überall wo Fanatiker am Werk sind, Andersdenkende bedrohen oder gar töten und die eigenen Glaubenssätze zum Dogma über andere erheben, wo Judenhass und Rassendiskriminierung salonfähig werden, wo Populisten ihr polterndes Geplärr in die Welt twittern, und wo satte, selbstzufriedene ideologische Vorbeter Denkverbote aufoktroyieren, tritt Voltaire furchtlos mit beißendem Spott auf den Plan. Es kann nicht schaden, in Zeiten der Verunsicherung dem Alten aus Ferney Gehör zu schenken und mit ihm zu lachen denn, so Voltaire: Die einzig vernünftige Devise in einem lächerlichen Zeitalter ist, über alles zu lachen .
Candide ist eines der bekanntesten Werke der französischen Aufklärung und landete dessen ungeachtet erst einmal auf dem Scheiterhaufen. Doch wie Phönix aus der Asche erhob es sich immer wieder neu in zahlreichen Neuerscheinungen und eroberte die Leserschaft mit der Lebensgeschichte des naiven Candide. Es nimmt Leibniz' Satz aus der Theodizee "von der besten aller möglichen Welten" gründlich aufs Korn und jagt seinen Romanhelden nach einem geraubten Kuss aus einem Schloss in Westfalen quer durch die Welt. Er muß Spießrutenlaufen bei der bulgarischen Armee, wählt aus "freiem Willen" heraus lieber den Tod, wird aber gerettet, erlebt das Erdbeben in Lissabon, gerät in die Fänge der Inquisition, trifft auf Kannibalen, auf Sklavenhändler, landet in El Dorado, wird reich, verliert alles und lernt am Ende, dass er besser seinen Garten zu bestellen hat, statt bloß zu räsonieren. Witzig, äußerst spritzig und mit spitzer Feder geschrieben, gehört dieser Roman auch heute noch zur Pflichtlektüre des Französischunterrichts und erfreut sich nach wie vor großer Beliebtheit.