Long Island (Ungekürzt)

Man kann diesen Roman, der die Fortsetzung von "Brooklyn" erzählt auch lesen/hören, ohne die Vorgeschichte bis ins Detail zu kennen. Ich war allerdings neugierig und habe mir die DVD mit Saoirse Ronan in der Rolle der Eilis Lacey bestellt. Das hatte den Vorteil, dass ich nun weiß, wie Eilis und Tony zusammen gekommen sind und was Eilis und Jim Farrow mit einander verbindet. Außerdem muss ich den Filmemachern ein großes Kompliment aussprechen: Eilis und Tony sehen exakt so aus wie ich sie mir vorstelle, und auch Jim Farrows jüngeres Ich wurde treffend gewählt.In "Long Island" kehrt Eilis nun nach 20 Jahren auf Besuch in ihre alte Heimat zurück, nachdem ihr Mann Tony einer anderen Frau ein Kind gemacht hat und der italienische Zweig der Familie von ihr erwartet, dass sie - wenn sie das Kind schon nicht selbst groß ziehen möchte - es wenigstens duldet, dass ihre gegenüber lebende Schwiegermutter dies an ihrer Stelle übernimmt.Eilis ergreift die Flucht unter dem Vorwand, dass sie ihre Mutter zu ihrem 80sten Geburtstag sehen möchte. Die beiden Kinder kommen nach, zurück bleiben Tony, seine Familie und das Baby, das im August geboren wird.Jim Farrow ist inzwischen mit Eilis' ehemals bester Freundin Nancy zusammen, allerdings darf das offiziell niemand wissen, denn Irland ist streng katholisch und konservativ. Der Kleinstadtklatsch ist bösartig wie eh und je. Eilis' Erscheinen bringt ordentlich Unruhe in die Gefühlslage aller Beteiligten und das ist meiner Meinung nach auch die Stärke des Romans. Obwohl nach Außen hin nicht viel passiert, bekommt man Einblick in die Gedanken- und Gefühlswelt der drei Hauptfiguren Eilis, Nancy und Jim. Alle drei wissen um die Zwänge des Ortes, in dem sie leben oder aber aufgewachsen sind, alle drei haben komplizierte Gefühle, Pläne und Ängste und alle drei müssen eine Entscheidung treffen ...Ich habe das Hörbuch gerne gehört und bin gespannt, ob es - wie in der Leserunde spekuliert - eine Fortsetzung geben wird. Meiner Meinung nach braucht es diese allerdings nicht. Das Ende war doch ziemlich eindeutig.

Colm Toibin hat mit seinem Werk "Brooklyn" einen großen Erfolg verbucht und kehrt nun mit "Long Island" zu seinen Charakteren zurück. Die Erzählung setzt wieder bei der Protagonistin Eilis an und findet sie nach 20jähriger Ehe mit Tony in Long Island, gleich neben dem Haus der Schwiegereltern und der restlichen italienischen Großfamilie mit zwei halb erwachsenen Kindern.Eilis hat einen guten Job, gerät jedoch zunehmend in einen Konflikt mit ihren Schwiegereltern. Der Schwiegervater schätzt ihre Eigenschaft zu selbständigem, kritischen Denken nicht und die Schwiegermutter manipuliert sich generell durch die Familie. Was zunächst idyllisch und stabil wirkt, entpuppt sich schnell als zerrüttet als Tony mit einem unehelichen Kind aus einem Seitensprung konfrontiert wird. Die italienische Seite der Familie steht hinter Tony und seinem Kind. Eilis bleibt nur die Flucht zurück nach Irland, wohin ihre Kinder ihr zum Besuch bei der Großmutter bald folgen. In Irland trifft Eilis wieder auf Jim, den sie vor zwanzig Jahren Tony vorgezogen hätte, wenn die Umstände es erlaubt hätten. Doch auch bei Jim ist kaum etwas wie es zu sein scheint und bald verknüpfen sich die weiteren Schicksale mehrerer Menschen auf fragile Art und Weise.Gerne würde ich nun schreiben, dass die Lektüre ein Genuss war. Das war sie aber sicher nicht. Tatsächlich habe ich mich weitestgehend durch das Hörbuch quälen müssen, trotz großartiger Sprecherin (großes Lob)! Zunächst gab ich dem Autor die Schuld. Eigentlich hätten die Schilderungen einfühlsam und einsichtsvoll sein sollen, doch ich habe es nicht so empfunden. Wo liegt also das Problem für mich?Colm Toibins Charaktere lassen mich weitestgehend kalt bis angewidert zurück. Beide Mütter (Tonys' und Eilis') sind manipulative alte Krähen, denen ich nicht über den Weg rennen will. Und auch Eilis selbst erlebe ich durchgehend als gefühlskalt und nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht. Wen ich nachvollziehen kann, ist Nancy und bis zu einem gewissen Grad auch Jim, der allerdings auch seine Geheimnisse hat und von Fairness höchstens träumen kann. Sogar die Teenager-Kinder handeln auf eine Art und Weise bei der ich mir die Frage stelle - fühlen die irgendetwas?So bleibt mir nur das Fazit, dass Colm Toibin zwar ein feiner Beobachter und ein guter Schriftsteller ist, mich aber nicht erreichen kann. Aber das ist natürlich Geschmackssache. Vom Ende war ich entgegen der Meinung anderer Leser*innen angetan. So bleibt das Schlamassel gegen Schluss hin wenigstens einigermaßen haltbar.