Die Mitternachsbibliothek von Matt Haig ist als gekürztes Hörbuch mit einer Laufzeit von 6 Stunden, 44 Minuten, 50 Sekunden im Februar 2021 beim Argon Verlag - argon hörbuch - erschienen.
Gesprochen wird das Hörbuch von Annette Frier.
Nora Seed fühlt sich einsam, ungeliebt, unwichtig. Sie hat sich kürzlich von Dan getrennt und lebt allein, leidet an Depressionen. Beruflich geht gerade alles den Bach runter und dann klingelt abends auch noch der Nachbar und informiert Nora darüber, dass ihr geliebter Kater Voltaire tot am Straßenrand liegt. Das alles ist einfach zu viel und so beschließt Nora, sich umzubringen.
Allerdings stirbt sie nicht an den geschluckten Tabletten, sondern geht auf einer langen Straße entlang und steuert auf ein großes Gebäude zu - die Mitternachtsbibliothek. Dort angekommen, trifft sie auf Unmengen Bücher, eine alte Bekannte und die Erkenntnis, dass sie hier alle Leben ausprobieren kann, die sie vielleicht gern gehabt hätte...
In jedem der Bücher befindet sich eines der Leben, die sie hätte leben können. Zuerst will Nora keines ausprobieren, sondern einfach sterben. Dann wagt sie aber doch den Sprung ins Ungewisse und probiert, wie es hätte sein können, wenn...
Matt Haig hat hier eine grandiose Idee umgesetzt, denn sicherlich hat sich jeder schon einmal gefragt, was wohl wie gelaufen wäre, wenn man hier oder dort eine andere Entscheidung getroffen, einen anderen Weg eingeschlagen hätte. Man merkt, dass der Autor selbst Erfahrung mit Depressionen hat, denn er ist mit der Thematik unglaublich einfühlsam und ausdrucksstark umgegangen.
Von Anfang an hat mich die Geschichte, zuerst aufgrund der Idee, dann aufgrund der Umsetzung, absolut in ihren Bann gezogen. Ich habe mitgefiebert und gebangt und gehofft, dass Nora in einem ihrer Leben eine Variante über den Weg läuft, die sie lebenswert findet
So durchlebt der Hörer bzw. Leser mit der Protagonistin nach und nach den Weg als Olympiaschwimmerin, als Rockstar, als Gletscherforscherin usw.
Es ist aufregend, abenteuerlich, beängstigend, schön und vielfältig.
Vor allem aber wird klar, dass es in jeder Facette des Lebens Licht und Schatten, gute und schlechte Zeiten gibt. Wichtig ist, wie man damit umgeht und was man daraus macht, und das hat Matt Haig hier auf wunderbare, herzerwärmende und faszinierende Weise herausgearbeitet.
Was mir nicht so gut gefallen hat, war, dass Nora in ihren jeweiligen Leben nicht wusste, was passiert und ihre Umgebung und die Menschen, mit denen sie zusammen war, nicht kannte bzw. anders kannte. Darum war es schwierig, die jeweilige Situation realistisch zu durchleben - ich hätte es prägnanter gefunden, wenn sie ihre Rolle in jeder Lebensvariante komplett mit allem Wissen und jeglichen Gefühlen und Empfindungen übernommen hätte - dann hätte sie weitaus besser einschätzen können, was ihr gefällt.
Annette Frier hat grundsätzlich als Sprecherin einen sehr guten Job gemacht, allerdings hat sie es nicht so mit ausländischen Dialekten und, was mich ganz enorm gestört hat: Sie sagt nicht Bibliothek , sondern Bibiothek ohne l, und das jedes Mal - das geht leider gar nicht und ich bin bei jeder Nenneung des Wortes drüber gestolpert, was das Hörvergnügen empfindlich gestört hat.
Aus diesen beiden Gründen gebe ich 4 von 5 Punkten, aber trotzdem eine unbedingte Hör- bzw. Leseempfehlung!