Mein Hör-Eindruck: Ein idyllisches Ambiente: ein kleines Fischerdorf an der Irischen See, direkt am Meer gelegen, in der Nähe von Belfast. Hier begegnen sich zwei traumatisierte Menschen.Da ist einmal Evan, der Stadtmensch, der mit schweren beruflichen und vor allem privaten Problemen klarkommen muss und sich von einem Aufenthalt auf dem Land Linderung erhofft. Und da ist Grace, die nach einer Entführung nach London (Näheres bleibt diffus) verändert wieder ins Dorf kommt und zur Einzelgängerin wurde. Damit ist der grundlegende Gegensatz deutlich gesetzt, der im Laufe des Romans kontinuierlich ausgebaut wird. Die Dörfler verachten die verweichlichten Stadtmenschen, die sich zieren, im eisig kalten Meerwasser zu schwimmen. Touristen sind leichtsinnig und bringen ihrer Ansicht nach nur Lärm und Chaos in das Dorf. Umgekehrt bedient die Autorin das Klischee der rauen, aber herzlichen Landbewohner, von denen jeder auf seine Art schrullig ist, und sie weist einigen eine Rolle im Roman zu.Die Handlung entwickelt sich sehr langsam und kleinschrittig. Die Autorin malt einige Szenen liebevoll aus, sie lässt sich Zeit mit der Beschreibung von Details und macht damit das deutlich, was der Stadtmensch Evan hier erlebt: Entschleunigung. Es ist vor allem das Meer, dem ihr Interesse gilt: seinen Farben, dem Wellengang, seinen Stimmungen, aber auch seinen Gefahren. Hier gelingen der Autorin atmosphärisch dichte, bildhafte Beschreibungen.Die ruhige Abfolge der Tage wird durch verschiedene Rettungsaktionen unterbrochen, bei denen die Gegensätze Stadtmensch/Landmensch weiter vertieft werden. Deutlich Schwung in die Handlung bringt die Ankunft von Evans kleinem hörbehindertem Sohn, der das Interesse der Dorfbewohner weckt und letztlich dazu führt, dass er und Evan in die Dorfgemeinschaft aufgenommen werden.Corona und der Lockdown bilden zwar den Hintergrund der Handlung, aber der Lockdown hat nur die Funktion, den Verbleib des Stadtmenschen im Dorf glaubhaft zu machen. Das Ende des Romans lässt vieles offen - aber wer denkt schon bei so viel Idylle an praktische Fragen der Existenz?Der Roman wird sehr schön vorgelesen von Brigitte Carlsen. Das warme Timbre ihrer Stimme passt perfekt zum Inhalt.Fazit: ein ruhiger Roman um Freundschaft und menschliches Miteinander.