Angenehm melodische Vertonung
Es war einmal ein Mann namens Virata. Er zog als Feldheer aus, den Auftrag seines Königs zu erfüllen, das Land zu verteidigen. Doch die auf sich geladene Schuld, zum Mörder geworden zu sein, ließen ihn als anderen Menschen zurückkehren. Er bat seinen Herrscher, ihn aus dem Kriegsdienst zunehmen und wurde, aufgrund seines moralischen Urteilsvermögens, Richter. Doch auch bei der Ausübung dieser Pflicht, kommen Virata wieder Zweifel an seiner Tätigkeit. Bringt die Macht einer Ausübung uns nur Schuld? Welchen Stellenwert sollte unser Gewissen haben?
Stefan Zweig stellt uns Lesende mit seinem Werk VIRATA- DIE AUGEN DES EWIGEN BRUDERS vor genau diese Fragen. Er diskutiert die Macht von Entscheidungen und die Gewichtung von Moral, Schuld und Glück. Dabei wird am Ende nicht klar, welche Position der Autor vertritt. Einerseits lässt er seinen Protagonisten moralisch handeln und sein Handeln darauffolgend überdenken. Andererseits stirbt Virata zum Ende einsam und verlassen ohne, dass sich auch nur eine Person positiv an ihn erinnert. Seine Söhne verleugnen ihn, der neue König missachtet seine Ratschläge. Und auch die Hunde, um die er sich zuletzt kümmerte, hören nach zwei Tagen auf zu bellen.
Für mich persönlich ist das Ende einer Geschichte ausschlaggebend. Bei einer Fabel würde ich nach der Moral von der Geschicht suchen. Und hier? Handele moralisch und frei von Schuld und du wirst ungeschätzt und vergessen von deinen Mitmenschen sterben. Diese Moral leite ich aus dem Werk ab und sie stimmt mich ärgerlich. War dies wirklich Viratas Wille? Meiner wäre es jedenfalls nicht. Handele moralisch und du wirst belohnt werden diese Moral gefiele mir besser in einer Welt, in der jeder mehr und mehr an sich selbst denkt. Doch vielleicht möchte Zweig genau diese Zweifel in seiner Leserschaft wecken. Wer wird mehr von der Gesellschaft geachtet der schrecken erweckende kaltherzige Richter oder der Hundeknecht? Der milliardenschwere CEO eines international agierenden Unternehmens, der seine Mitarbeiter ausbeutet oder der unbekannte Normalverdiener, der nicht tagtäglich die großen Wellen in den Medien reißt?
Die Geschichte lädt zum Nachdenken ein. Atmosphärisch eingesprochen wurde sie von Tommi Horwath, dem Melker Märchen Mönch. Seine Stimme ist melodisch und passt sich der Geschichte immer wieder neu an, wie Virata in seinem Leben den gegebenen Situationen. Der Hörbuchverlag, DIE ERZÄHLWERKSTATT hat es sich zur Aufgabe gemacht, eingestaubt antiquarische Schätze zu heben und ihnen eine neue Stimme zu geben. Gerne möchte ich diese Arbeit würdigen und werde mir das angebotene Sortiment genauer anschauen. Die Erzählung von Virata kann ich nur eingeschränkt empfehlen, da habe ich schon bessere Novellen von Zweig gelesen.
Fazit
VIRATA DIE AUGEN DES EWIGEN BRUDERS ist eine kurzweilige Erzählung mit ambivalentem Ausgang, welche angenehm vom Melker Märchen Mönch eingesprochen wurde.
Virata. Die Augen des ewigen Bruders| Stefan Zweig|eingesprochen von Tommi Horwath| Hörbuch| Die Erzählwerkstatt| 2022| 1h 41min| 9,99€