Auch wenn Mélanie Hahnemann den Winter sehr mochte, dieses Hörbuch passt gut zum Sommer. Es ist unterhaltsam und wird von Lina Syren, die ich bisher nicht kannte, einfühlsam und mit viel Empathie gelesen.
Mich hat das Buch schon deshalb interessiert, weil mein Urgroßvater ein großer Verehrer und Verfechter von Hahnemanns Lehren war und ich in den 1950er und 1960er Jahren mit "Kügelchen" auf der Zunge und in Wasser aufgelöst großgeworden bin. Die Lehre von der Homöopathie wurde von Großmutter und Mutter immer weiter als Heilmittel, aber nicht als Allheilmittel verwendet.
Als die Pariserin Mélanie d'Hervilly 1834 nach Köthen reist, um sich von Samuel Hahnemann, dem Erfinder der Homöopathie, behandeln zu lassen, ahnt die 34 Jahre alte Frau nicht, dass sich ihr Leben total auf den Kopf stellen wird. Arzt und Patientin verlieben sich ineinander, der fast 80jährige Witwer macht ihr binnen weniger Tage einen Heiratsantrag. Dass beide sich den Zorn der Töchter zuziehen, ist folgerichtig und wird die Beziehung über Jahre auch etwas trüben. Melanie beginnt sich für die Arbeit ihres Mannes zu interessieren, aber gleichzeitig leidet sie unter unstillbarem Heimweh nach Paris. Den gewaltigen Unterschied zwischen Paris und Köthen muss ich hier nicht thematisieren. Das Ehepaar beschließt, in Paris zu leben, Hahnemann führt auch dort im hohen Alter eine gefragte Praxis. Seine junge Ehefrau immer an seiner Seite, immer für ihn da, entwickelt sich selbst mit seiner Hilfe zu einer praktizierenden Homöopathin.
Susanne Lieder charakterisiert ihre Protagonisten sehr anschaulich, obwohl die Geschichte ja vor rund 180/190 Jahren spielt, kann man sich sehr gut in die geschilderte Situation, die damaligen Gepflogenheiten und Sitten hineinversetzen. Mélanie ist ihrer Zeit wohl weit voraus, eigenwillig und selbständig, der so viele Jahre ältere Mann aber hält gut mit ihr mit, wenn es um die Durchsetzung seiner Erkenntnisse und seines Willens geht.
Dass die Homöopathie an sich eine sehr umstrittene Lehre ist, verdeutlichen insbesondere die Praktiken der Herstellung der Mittel. Aber nicht nur Kügelchen helfen offensichtlich, auch der Glaube daran, die Schulmedizin kennt das aus Blindtests mit echten Medikamenten und Placebos. Letztere wirken teilweise ebenso erfolgreich wie die Medikamente. Es heißt nicht umsonst, der Glaube versetzt Berge.
Hörenswert auch noch das Nachwort, in dem die Autorin ein wenig in ihre Schreibstube schauen lässt und auch noch einen Blick auf die Zeit nach dem Buchende freigibt.
Fazit: Es ist keine Weltliteratur wie ein Zauberberg, aber mir hat das Hörbuch gut gefallen, eine unterhaltsame Zeit verflog sehr schnell. Und wie so oft stellt man fest, dass man immer wieder Neues und Unbekanntes erfährt, wenn man Bücher hört bzw. liest.
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