Fandorin ermittelt im Selbstmörder-Club
Moskau 1900: Die schöne Colombina trägt eine lebende Natter um den Hals und schreibt blumige Gedichte. Die Sehnsucht nach einem Leben voller Leidenschaft hat sie nach Moskau geführt. Bald schon ist sie die Geliebte von Prospero, der einem geheimen Club von Todesanbetern vorsteht. Einer nach dem anderen folgt hier dem Ruf ins Jenseits und begeht Selbstmord. Doch wollten all diese jungen Menschen wirklich sterben? Ein Mann, der sich Prinz Gendsi nennt und einen japanischen Diener hat, erscheint im Club und stellt seltsame Fragen.
»Die Geschichten sich prall gefüllt mit Liebe und Eifersucht, Mord und Totschlag, Doppelspielen und Weltverschwörungen. « FAZ
»Boris Akunin ist der Meister der Russischen Kriminalautoren. Ich habe jeden seiner Romane verschlungen. « Wladimir Kaminer
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Die junge Marja kommt aus der Provinz nach Moskau, um endlich ihre hochfliegenden Träume von Ruhm, Reichtum und Romantik zu verwirklichen. Unter dem Namen Colombina erhält sie Zugang zu einem Geheimclub, der unter der Führung des charismatischen "Dogen" Prospero dem TOD huldigt. Und in einem Selbstmörderclub ist es doch nur natürlich, dass die Mitglieder sterben. Oder etwa doch nicht?
Eine Selbstmordserie erschüttert Moskaus Oberschicht. Junge hoffnungsvolle Menschen, pedantische Schullehrer - niemand scheint sich der Faszination des Todes entziehen zu können, den jeder der Todeskandidaten vor dem finalen Schritt mit einem Gedicht verherrlicht. Der brilliante Journalist Shemailo, selbsternannter Vertreter der Vernunft, kommt bald einem geheimen Selbstmörderclub auf die Spur. Gleichzeitig erreicht die naive Ausreißerin Marja Moskau mit dem festen Willen, sich unter dem dramatischen Namen Colombina neu zu erfinden. Sie näht sich auffallende Kleider, kauft eine Schlange, die sie Luzifer nennt, und ist bereit für das Abenteuer Leben.
Zwar ist ihr erster Galan eine herbe Enttäuschung, doch er verschafft ihr Zutritt zu dem Kreis der "Liebhaber des Todes". Hier scheinen sich alle ihre Träume zu erfüllen, denn der TOD war selten so romantisch und leicht mit der Liebe zu verwechseln wie in seinem eifrigsten Jünger Prospero. Doch das Auftreten eines weiteren Todesjüngers bringt Colombinas romantische Träume vom Tod ebenso gehörig durcheinander wie die Tatsache, dass aus Selbstmord Mord zu werden scheint.
Eigentlich gibt es keinen Grund, warum der russische Krimiautor Akunin mit seinem Geisteskind Fandorin auf dem deutschen Buchmarkt noch weitgehend unbekannt ist. Seine Krimis um den eleganten Ermittler Fandorin enthalten alles, was in diesem Genre Erfolg verspricht. Das Setting, das leicht dekandente, vom Zerfall bedrohte Russland der Jahrhundertwende, wird dem Leser lebendig und facettenreich vor Augen geführt, hinzu kommen glaubhafte, sympathische Charaktere und - dies eher ungewöhnlich für ein Genre, das auf direkte ungebrochene Spannung setzt - eine interessante Erzählperspektive.
Die Geschichte um die Liebhaber des Todes wird auf drei Ebenen erzählt. Die Zeitungsberichte des Journalisten Shemailo wechseln sich ab mit den anonymen Briefen eines eingeschleusten Regierungsbeamten an seinen Vorgesetzten und den in der dritten Person verfassten Tagebucheinträgen Colombinas. So setzt sich das Portrait der Hauptfigur Fandorin aus drei verschiedenen Sichtweisen zusammen, er selber kommt - untypischerweise - überhaupt nicht zu Wort.
Vielleicht hat dieser Aufbau etwas mit der Tatsache zu tun, dass Fandorin seinen Ermittleralltag bereits vor dreizehn Jahren aufgenommen hat, seinen treueren Lesern also nicht unbekannt sein dürfte. Er tritt zurück hinter die Figur der Heldin Colombina, aus deren Selbstaussagen und Fehleinschätzungen der Leser das Bild eines ganz gewöhnlichen jungen Mädchens gewinnt, das endlich etwas erleben möchte. Und das tut sie - spätestens als sie die Hände des Mörders um ihren Hals spürt.
Fazit: Dieser Gentleman-Ermittler aus Russland verdient ein größeres Publikum
© Birgit Erwin - www.literature.de - Das Literaturportal