Besprechung vom 02.12.2019
Das ist alles andere als eine Romanze
Aka ist das japanische Schriftzeichen für die Farbe Rot. Kawa bedeutet Fluss. Akakawa, unweit von Tokio gelegen, hat seinen Namen entweder von Ahornblättern oder vom Blut der Farmer, das infolge einer Fehde das Wasser des angrenzenden Flusses färbte. Akakawa ist ein fiktionales Städtchen, eine Art japanisches Twin Peaks, erdacht von der indonesischen Debütantin Clarissa Goenawan. Verfasst in Singapur, zuerst in den Vereinigten Staaten verlegt, ausgezeichnet und glänzend besprochen, um in Deutschland mit kitschigem Cover lieblos als Romanze vermarktet zu werden. Weiter daneben könnte man nicht liegen. Als Keiko auf der Straße erstochen wird, kommt ihr Bruder Ren nach Akakawa, um ihre Sachen abzuholen. Spontan übernimmt er ihren Job, beschließt zu bleiben und richtet sich im alten Leben seiner Schwester ein. Es folgt kein reines Whodunit, auch wenn Goenawan immer wieder falsche Fährten auslegt. Vielmehr liest sich "Rainbirds" wie die anthropologische Studie einer hyperrealen Parallelwelt, die ihren eigenen Gesetzen gehorcht. Kurze Gedichte dienen als Kapitelüberschriften; falsche Haikus, von denen man genau weiß, dass sie den strengen Regeln der Gedichtform nicht folgen, die aber die dichte Atmosphäre vorgeben, die es braucht, um sich dieser Welt und ihren mysteriösen Figuren zu ergeben. Um in den blutroten Fluss zu steigen, in dem langsam und mächtig sämtliche Subplots mit Erinnerungen und Träumen in eins fließen und schließlich freispülen, was verborgen auf dem Grunde des Menschlichen liegt.
kd.
Clarissa Goenawan: "Rainbirds". Roman.
Aus dem Englischen von Sabine Lohmann.
Thiele Verlag, München 2019.
320 S., br.
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