Das ist der Inhalt dieses großartigen biographischen Romans, mit dem der norwegische Schriftsteller seiner Ururgroßmutter Marta Kristine ein Denkmal setzt.
Anschaulich beschreibt er das Leben im 18./19. Jahrhundert an den norwegischen Fjorden, in abgelegenen Ortschaften, in kleinen Gemeinschaften von Bauern und Häuslern, eng mit der Natur, den Jahreszeiten und kirchlichen Festen verbunden.
Es ist eine Hommage an eine starke, eigenwillige, unzeitgemäße Frau, die mit Leidenschaft ihrer inneren Berufung folgt, die die Mühsalen des Lebens kennt und meistert - die Freude, die Liebe, das Leid, den Tod. Es ist eine Reverenz an ein arbeitsreiches, kinderreiches und auch erfülltes Leben.
Marta Kristine hatte eine glückliche Kindheit, ganz im Rhythmus der Natur. Sie war schon früh sehr wissbegierig und alles speichernd, auch das Ungesagte. Eine Erinnerung aus ihrer Kindheit: ein von der Zeit und den Winden verblichener Frauenschädel, mit wenigenHaarsträhnen, gut sichtbar aufgespießt: ihr Schädel sollte als Abschreckung dienen, weil sie ihr neugeborenes Kind getötet hatte.
Pastor Stubben war ihr Mentor, er war es auch, der den Gedanken Hebamme zu werden in ihr verankerte.
Norwegen erlebte eine harte Zeit und Hans, Marta Kristines Freund seit der Schulzeit, ging zum Heer. In ihr gärte Ruhelosigkeit, fort zu etwas Größerem als ihrem jetzigen Leben. Fortgehen kam nicht in Frage, aber Bleiben auch nicht.
Sie erhielt den 1. Brief ihres Lebens, von Hans. Ob sie seiner Jugend Freude und seines Alters Trost werden wolle. Darauf hatte sie gewartet, doch sie war inzwischen schwanger von einem anderen. Hans verstummte, als er ihr sie sah und verschwand abermals zum Heer. Zwischen Norwegen und Schweden kam es zum Krieg, Hans wurde verletzt, aber viele seiner Kameraden fanden einen grausamen bajonettstichigen Tod. Wie alle Kriege: nutz- und sinnlos.
Pastor Stubben half, ihren Traum zu verwirklichen. Er besorgte ihr ein Buch, das für sie ein Tor zu neuen Welten öffnete: zur Geburtswissenschaft und zum Reichtum der Sprache. Und es
kam der 2. Brief ihres Lebens, abermals von Hans: die guten alten Zeiten seien vorbei, jetzt kämen die guten neuen Zeiten. Aber nur mit ihr als seiner Frau.
Sie heirateten. Er ließ sie hochschwanger ziehen zu einer Ausbildung in der Kleinstadt. Sie sah Frauen in ihrer Vielfalt und erkannte, dass die Frauen überall und immer ganz besonderen Belastungen ausgesetzt waren.
Durch ein Stipendium bekam sie die Möglichkeit in Christiania die offizielle Hebammenschule zu besuchen. Dort lernte sie alle Feinheiten ihres Berufs. Im Juni 1822 machte sie sich zu Fuß auf den Heimweg. Aus ihr war eine erwachsene Frau geworden. Hans und sie waren beide verändert. Er unterlag extremen Gemütsschwankungen: voller Tatendrang und fröhlich, dann tagelang wie erstarrt.
Er wurde als Korporal entlassen, wollte Fischer werden, kaufte eine Geige, doch es gelang ihm nie, melodische Töne zu spielen. Keine Arbeit gelang ihm wirklich gut. Er ließ die Hofarbeit schleifen, grübelte, war niedergeschlagen, schwermütig, dann wieder überschäumend voller Pläne. Bei wurde Neurasthenie diagnostiziert, eine Erbkrankheit. Ihnen wurde geraten, keine Kinder mehr zu bekommen. Aber sie konnten nicht voneinander lassen: Marta Kristine wurde insgesamt 11 mal schwanger.
Die Zeit verrann: ein Tag nach dem anderen, ein Monat nach dem anderen, ein Jahr nach dem anderen. Hans konnte ihr endlich von seinen Traumata erzählen, die aufgeschlitzten Körper der Nahkämpfe waren seine Schreckensbilder.
Er verstarb plötzlich und Marta Kristine wusste nicht, wie ihr Leben weiter gehen sollte. Sie lebte nur von ihrem Hebammenlohn, aber sie war nicht bereit, sich dem gnadenlosen Schicksal zu beugen.
1877 starb sie, zuvor hatte sie eine Rechnung ihres Lebens aufgemacht, das aus Stärke und Demut bestand. Als ob ihr Leben ein kurzer Sommertag gewesen wäre. Marta Kristen überlebte Hans um 37 Jahre.
Ein wunderbarer biographischer Roman, der uns Leserinnen und Lesern bewusst macht, wie gut wir im Hier und Jetzt leben ohne die harte Arbeit in und mit der Natur. Aber in anderen Gegenden dieser Welt sieht es nach wie vor ähnlich aus wie im 18./19. norwegischen Jahrhundert. Aber es gibt heute mehr starke, bewusste Frauen, die sich zur Wehr setzen, die ihre Rechte einfordern. Die Visionen haben für eine andere Welt, für eine bessere Welt, für eine gemeinsame Welt über Grenzen hinweg.
Irgendwo las ich, Gebären sei der Anfang der Welt. Ja, jedes geborene Kind ist der Anfang einer neuen Welt. Und Marta Kristine hat ihren Teil dazu beigetragen.
Auf dass Frauen UND Männer für die Zukunft Visionen für eine neue bessere gemeinsame Welt haben.