Als Some Desperate Glory von Emily Tesh Teil der Illumicrate im April 2023 war, habe ich die Box ausgelassen. Heute frage ich mich: Warum?? Immerhin kam ich so in den Genuss der deutschen Übersetzung von Die letzte Heldin durch Nina Lieke. Neben der spannenden Ausgangslage, konnte mich vor allem die Protagonistin überzeugen: Nicht durchwegs nett, um nicht zu sagen ziemlich unsympathisch, aber mit großem Entwicklungspotential.
Nachdem die Erde von den Majoda mithilfe ihrer Wunderwaffe Weisheit komplett ausgelöscht wurde, existieren nur noch wenige Menschen. Diese befinden sich auf einer Station namens Gaia, die von oben bis unten durchgetaktet und durchgeplant ist. So werden die Menschen zu einem bestimmten Zeitpunkt bestimmten Bereichen zugeteilt, je nach Eignung: Einige werden Kämpfer*innen, andere bekommen die zweifelhafte Ehre, für Nachwuchs zu sorgen, wieder andere sind für Nahrungsmittel zuständig. Freier Wille? Fehlanzeige.
Protagonistin Kyr ist eine Kampfmaschine und freut sich schon, an den Majoda Rache dafür zu üben, dass sie ihren Planeten zerstört haben. Denn dass sie der Kampftruppe zugeordnet wird, ist klar. Sie ist der Obrigkeit auf Gaia hörig, ehrgeizig, narzisstisch, von sich selbst überzeugt und stellt nichts in Frage. Bis ein Ereignis ihr Leben auf den Kopf stellt..
Die Entwicklung, die Kyr dabei durchläuft, fand ich unglaublich nachvollziehbar. Zu Beginn ihre absolute Loyalität, auch durch ihre familiären Bande bis hin zu den Leuten, die Gaias Geschicke leiten. Dann ein vermeintlicher Irrtum, der alles ins Rollen bringt. Im weiteren Verlauf führt die Entdeckung vieler Kleinigkeiten, die zusammengenommen kein stimmiges Bild mehr geben, dazu, dass sie weiter misstrauisch wird. Dabei spielen auch einige Nebenfiguren eine große Rolle. Solche Menschen, die nicht so privilegiert sind wie Kyr und die Gaia und die Situation der Menschheit realistischer sehen, und die vor allem die Werte, die auf Gaia vermittelt werden, erkennen: Sexismus, Rassismus, der Hass auf die außerirdischen Völker. Die erkennen, dass es auf Gaia nur um Indoktrination geht, dass der freie Wille nicht existiert.
Ein Twist in der Mitte des Buchs kam total überraschend, hat mir persönlich aber gut gefallen. Durch die Gegebenheiten war es etwas herausfordernd, gedanklich mitzukommen, aber ich mochte die Möglichkeiten, die sich durch den Twist entwickelt hatten, sehr. Allerdings hat es die Story an sich auch ein bisschen verwässert, ich denke, die moralischen Fragen hätten noch ein bisschen besser aufgearbeitet werden können.
Ich empfehle Die letzte Heldin all jenen, die keine sympathische Figur brauchen, um bei einer Geschichte mitfiebern zu können, die Adult Science Fiction lesen, die gerne ethischen Fragestellungen gegenüberstehen und die Twists mögen, die den Lauf einer Geschichte ändern.