Hans Falladas Werk ist so schillernd wie die Bewertung seiner Person. Indem er sich mit dem System arrangierte und der Zensur beugte, wurde er in der NS-Zeit zu einem der beliebtesten, wenngleich nicht offen regimestützenden Schriftsteller.Nicht nur seine Spätwerke, sondern auch sein eigener Lebenslauf zeigen deutlich, dass es in einem solchen System nicht nur schwarz und weiß, sondern viele Graustufen gibt, dass die eigene Überzeugung aus heutiger Perspektive, man selbst hätte sicher anders reagiert, moralisch sehr überheblich ist - angebrachter ist vielleicht der Gedanke, man hätte HOFFENTLICH anders reagiert. Hans Fallada schafft es, ohne Selbstmitleid, ohne Relativierung, zu schildern, wie Anpassung, innere Emigration und die spätere Auseinandersetzung damit ein Leben prägen und auch zerstören können. Seinem schonungslosen Blick ins Innenleben der Deutschen, die sich nicht offen gegen das Regime gestellt hatten, ist es zu verdanken, dass auch "Der Alpdruck", geschrieben 1945/46 und posthum erschienen 1947, so erschreckend wie eindrücklich ist.Das Buch ist zwar Falladas Worten zufolge keine Autobiografie, weist aber viele Parallelen zu seinem eigenen Leben und historischen Personen der Zeit auf und setzt sich insbesondere damit auseinander, wie mit der Schuld umzugehen ist, die man als passiver Bürger im Dritten Reich auf sich geladen hat. Ist man so viel besser als die fanatischen Volksgenoss_innen, wenn man sich aufs Anrücken der Roten Armee freut und sich wundert, dass sie einen nicht freundlich grüßen, weil man eben doch Teil des völkischen Kollektivs ist? Was bringt einem eine späte Einsicht, wenn sie doch zu spät kommt? (Wie) ist es möglich, nach einer solchen moralischen Schuld überhaupt noch an eine Zukunft zu glauben, aber wie kann man ohne Zukunftsglauben überhaupt mit einer solchen Schuld umgehen lernen? Und was sagt es über die deutsche Bevölkerung aus, wenn sich selbst in der schweren Nachkriegszeit doch jeder selbst der Nächste ist?Das für Fallada vergleichsweise schmale Buch ist intensiv, verstörend und bewahrt dank seiner Sprachfertigkeit trotzdem irgendwo noch den Glauben an Menschlichkeit. Es ist ein wichtiges Zeitzeugnis und sollte uns dazu motivieren, aktiv für demokratische Freiheiten und gegen Autoritarismus einzutreten.