Das Vermächtnis des Nobelpreisträgers
José Saramago war bekennender Atheist und eckte regelmäßig bei der katholischen Kirche an. In seinem letzten Roman schreibt er die Bibel kurzerhand um und lässt den Brudermörder Kain eine ganz eigene Reise durchs Alte Testament antreten. Mit Phantasie, Ironie und einem Schuss Boshaftigkeit führt der große Romancier die göttliche Allmacht ad absurdum.
»Die Geschichte der Menschheit ist die Geschichte ihrer Uneinigkeit mit Gott, weder versteht er uns, noch verstehen wir ihn«, heißt es in Saramgos Kain, und es könnte das Motto des Buches sein. Saramago schickt seinen Kain an die unterschiedlichsten Schauplätze des Alten Testaments und lässt ihn aktiv an den biblischen Episoden teilhaben. So ist Kain dabei, als Abraham aufgefordert wird, seinen Sohn Isaak zu opfern, wobei er ihm überzeugend die Unsinnigkeit dieses Unternehmens vor Augen führt und Schlimmeres abwendet. Er interpretiert auf seine Weise die Zerstörung von Sodom und Gomorrha, ist fassungslos angesichts der Babel'schen Sprachverwirrung und findet sich am Ende auf der Arche Noah wieder. "Portugals bedeutendster Romancier" (Die Zeit) hat mit Kain ein kraftvolles, provozierendes letztes Werk geschrieben.