Dass die Klitoris nicht nur ein kleiner Knubbel ist, war für mich - ebenso wie für Louisa Lorenz - eine Überraschung. Ich hatte in meinen Schulbüchern keine Abbildungen der Klitoris in ihrer vollen Größe. Und ich habe auch sehr mit Louisa Lorenz mitgefühlt, als sie zu Beginn des Buches sagte, dass sie Feministin ist und trotzdem 25 Jahre alt werden musste, um zum ersten Mal ein Bild der kompletten Klitoris zu sehen.Denn bei mir dauerte es auch bis zum Beginn meiner 20er, bevor ich lernte, dass die Klitoris eben nicht nur ein kleiner Knubbel ist. Darüber hinaus hatte ich mir aber auch nach diesem Aha!-Moment nicht weiter mit der Klitoris beschäftigt. Eigentlich sehr schade, denn schließlich habe ich auch eine Klitoris. Sich mit dieser weiter zu beschäftigen, bringt mir also neue Kenntnisse über meinen Körper.Clitist dafür nicht nur ein guter Einstieg, sondern ein umfassend tolles und informatives Buch. Aufgeteilt ist es in eine Hälfte, in der es um die Anatomie der Klitoris und daran angeknüpfte Themen geht. Dazu gehören zahlreiche Abbildungen der Klitoris und ihrer Lage im Körper, Vulven, aber auch (vielleicht ein bisschen überraschend) von einem Penis. Ebenso erklärt Louisa Lorenz die Entwicklung von Genitalorganen bei Föten. Sie geht darauf ein, welche Funktion die Klitoris hat und ob Geschlecht und Klitoris miteinander verbunden sind.Im zweiten, etwas längeren, Teil beschreibt sie die Kulturgeschichte der Klitoris. Darin geht es um Ansichten zu den Themen Sex, Lust, Geschlecht von der Antike bis heute. Wenig überraschend ist damit verbunden, wie gesellschaftlich mit weiblichen und weiblich gelesenen Personen umgegangen wurde und wird.Ich habe nach dem Lesen das Gefühl, umfassend über Klitoriden informiert zu sein. Ich habe auch das Gefühl, meinen Körper ein kleines bisschen besser zu kennen. Und das ist ein schönes Gefühl.Abgesehen davon beinhaltet Clit viele kleine Dinge, die mir gut gefallen haben. So hat Louisa Lorenz vor zwei Abschnitten, die sich mit besonders furchtbaren Aspekten beschäftigen, Vergewaltigung und Female Genital Mutilation, Inhaltswarnungen platziert und es ermöglicht, diese Abschnitte zu überspringen. Das Buch ist aber häufig auch sehr amüsant zu lesen. Und Louisa Lorenz schreibt queer-inkludierend, also z.B. nicht von Frauen, sondern von Menschen mit Klitoris (außer, wenn historische Ansichten/Quellen wiedergegeben werden).Zudem räumt sie mit einigen Mythen auf. Das waren Aspekte des Buches, die mir besonders gefallen haben. Denn das "Enthüllen" von Vorurteilen und vorgefertigten Meinungen wirbelt im Kopf besonders viel herum.Ich kann dieses Buch wirklich nur jedem empfehlen. Ganz egal, ob ihr selbst eine Klitoris habt oder nicht.Clitbietet neue Erklärungsansätze für patriarchale Probleme, die im feministischen Diskurs schon lange bekannt sind und bekämpft werden (sollten).