Tod am Nussdorfer Wehr, Mina Albichs dritter Kriminalroman, präsentiert sich als gelungene Fortsetzung, kombiniert wiederum einen ebenso spannenden wie rätselhaften Fall mit stimmigem Wiener Ambiente.
Worum geht es?
Ein Toter liegt im Hof, vom Balkon gestürzt. Selbstmord, Unfall oder Mord? Ein kniffliger Fall für Inspektor Grohsman, seine Kollegin Joe Kettler und die Psychologin Nicky Witt.
Das stimmungsvolle Cover ist ein Eyecatcher. Es zeigt die Schemerlbrücke am Nussdorfer Wehr mit den beeindruckenden Löwen. Das Motiv stimmt nicht nur wunderbar auf Wien ein, sondern hat auch einen persönlichen Bezug für Inspektor Grohsman. Zudem passt es optimal zu den Vorgängerbänden. Das Buch erschien 2024, die Handlung spielt in der Gegenwart. Die Kapitel sind - was ich persönlich immer besonders schätze - mit Datumsangaben versehen, sodass man chronologisch einen guten Überblick bewahren kann. Sie umfassen jeweils die Ereignisse pro Ermittlungstag, sind demgemäß unterschiedlich lang, und sind in sich wiederum in Abschnitte, bedingt durch Szenenwechsel, unterteilt. Der Schreibstil ist flüssig, humorvoll und bildhaft, vor allem sprachlich ausgezeichnet nuanciert. Nicht nur das Wienerische ist wohl dosiert eingesetzt, sondern die Sprache ist auch generationsmäßig authentisch. Einfach köstlich, manche Ausdrücke der heutigen Jugendsprache! Tja, das Opfer hatte Rizz Da hab ich einiges dazugelernt, als Leserin im Oma-Alter.
Nachdem ich auch die Vorgängerbände kannte, fühlte ich mich sofort wieder heimisch mit den handelnden Personen. Meiner Meinung nach kommt auch ein Quereinsteiger in die Geschichte problemlos hinein, da die Fälle in sich abgeschlossen sind. Soweit erforderlich, gibt es Hinweise auf das frühere Geschehen bzw. den Background der Protagonisten. Nichtsdestotrotz, es lohnt sich, mit Band 1 zu beginnen, nicht nur des roten Fadens wegen.
Gleich von Beginn an befindet man sich mitten im Fall. Mit all seinen Rätseln. Der Fokus liegt auf der Ermittlungstätigkeit der Polizei. Mühsame, kaum weiterbringende Befragungen im Umfeld des Opfers. Doch die Orts- bzw. Perspektivenwechsel, insbesondere auch der immer wieder zwischengeschaltete Einblick in die Gedanken des Täters, gestalten die Handlung abwechslungsreich und spannend. Es mangelt nicht an Verdächtigen, an in die Irre führenden Spuren und verwirrenden Zeugenaussagen. Reichlich Gelegenheit zum Mitraten. Der Fall erhält einen zusätzlichen Kick durch Nickys Dilemma. Denn die Psychologin gerät durch das Tatgeständnis eines ihrer Patienten in einen Gewissenskonflikt, denn einerseits ist sie an die ärztliche Schweigepflicht gebunden, andererseits in die polizeilichen Ermittlungen eingebunden. Als Leser hat man so scheint es einen Wissensvorsprung gegenüber der Polizei. Aber die findige Autorin sorgt letztlich für eine überraschende Wendung schlüssig offenbaren sich Tatablauf und Motiv des Täters. Auch Felix Grohsman kann seinen persönlichen, Jahrzehnte zurückliegenden und bislang ungeklärten Fall, den Tod eines Freundes, geklärt ad acta legen.
Felix Grohsman, der routinierte Kriminalbeamte, und Joe (Johanna) Kettler, jung, strebsam und engagiert, bilden ein zwar konträres, aber sich gut ergänzendes und harmonisch zusammenarbeitendes, sympathisches Ermittler-Duo. Die Protagonisten zeigen Emotionen, Stärken und Schwächen, Vorlieben und Interessen. Ein gut dosierter Einblick in ihr Privatleben, ihre Vorgeschichte und ihre Beziehungen rundet das Charakterbild ab. Nicky stellt mit ihrem Fachwissen nicht nur eine gute Ergänzung des Teams dar, sondern im Rahmen ihrer Tätigkeit werden stets interessante psychologische Störungen thematisiert. Generell skizziert die Autorin nicht nur die Protagonisten sehr lebendig und authentisch, sondern auch die Nebenfiguren, sowohl im polizeilichen Team, im privaten Umfeld als auch im Kreis der Verdächtigen sind gut vorstellbar beschrieben.
Tod am Nussdorfer Wehr war wieder ein Lesegenuss für mich, ein Wohlfühl-Krimi, der einen erfolgreich für einige Zeit vom Alltag ablenkt, eine gut ausgewogene Mischung aus Spannung und zwischenmenschlicher Harmonie.
Unbedingte Leseempfehlung meinerseits und 5 Sterne!