Raymond Carver wird als der
Meister der Kurzgeschichte bezeichnet und egal, wie man zu Superlativen steht, unbestritten ist in seiner Leserschaft, unter den Kritikern und Kollegen, dass er wirklich der Autor ist, der bei den Short Stories Maßstäbe gesetzt hat. Seine Art, sich in eine Geschichte hinein- und hinauszuschleichen und in dem Teil, in dem er seine Geschichte spielen lässt, eine derart dichte und intensive Atmosphäre zu schaffen, ist einmalig und hat viele Schriftsteller beeinflusst.Carver wurde nicht alt und hatte Zeit seines Lebens mit dem Alkoholismus zu kämpfen, erst als er sich von dieser Sucht befreit hatte, wurde sein Schreiben noch effizienter. So passt sein Gesamtwerk in drei Bände und bekannt geworden ist er mit "Wovon wir reden wenn wir von Liebe reden".Dieses Buch wurde allerdings durch seinen Lektor Gordon Lish um etwa 50% gekürzt. Wobei dieses Lektorat von Carver seinerzeit unterstützt wurde, zwischen den beiden Männern bestand eine Freundschaft und Lish ist es zu verdanken, dass Carver überhaupt in dieser Form veröffentlichen konnte. Doch natürlich war das Lektorat etwas Einseitiges, denn Lish, dessen Fähigkeiten als Lektor unzweifelhaft waren, tat dem Werk Carvers durch die Beschneidungen nicht nur Gutes an.Nach seinem Tod im Jahr 1988 mit nur 50 Jahren haben seine Lebensgefährtin, die Autorin Tess Callagher und diverse andere Helfer versucht, den schmalen Nachlass von Carver zu sichten und zu ordnen. Besonders hervorheben muss man da die Veröffentlichung der letzten Gedichte des Autors. Aber auch der Band "Wovon wir reden ..." wurde "restauriert", d.h., es wurden die Stücke in ihrer ursprünglichen Form, also ohne die Streichungen des Lektors Lish, zusammengefügt und in diesem Band "Beginners" neu veröffentlicht. Man kann hier nur von einem Gewinn sprechen, denn vergleicht man die beiden Versionen, dann kann man diese hier vorliegende, ursprüngliche Version nur vorziehen, denn die von Lish gestrichenen Passagen verstärken den Zauber, den Carver in seine Geschichten einwob.Im Anhang gibt es Erläuterungen zu den Texten, den Streichungen, die Lish vorgenommen hat und den Veröffentlichungsdaten, in denen erwähntt ist, wann in welcher Form die Texte veröffentlicht wurden.Außerdem gibt es eine Reihe von Briefen von Carver an Lish, in denen er sich über die Kürzungen und Streichungen in seinen Texten auslässt und man kann genau nachvollziehen, wie sehr er unter dem Zwiespalt gelitten hat, die Freundschaft von Lish vom Lektorat abhängig zu sehen.Für alle Carver-Anhänger ist diese Version seines ersten Geschichtsbandes eine wunderbare Ergänzung, fast schon ein neues Buch. Und alle, die Carver jetzt zufällig für sich entdecken, haben einen umfassenderen Einstieg in dessen Werk als mit der ersten Version. Essentiell.