Die Handlung knüpft zeitnah am Vorgängerband an und führt die dort begonnene Geschichte fort. Es ist daher sehr zu empfehlen, "Die dunklen Gassen des Himmels" gelesen zu haben. Bobby Dollar, oder Doloriel, wie er als Engel heißt, ist nicht gerade ein Heiliger. Er entspricht nicht gerade dem gängigen Klischee, wie wir uns die geflügelten Diener Gottes gemeinhin vorstellen. Einen Heiligenschein hat er wohl kaum. Bobby wirkt eher heruntergekommen und mit den höheren Engeln hat er so seine Probleme. Genauso wie sie mit ihm. Bevor er ein Anwalt im Auftrag des Himmels wurde, war er bei den himmlischen Kampftruppen, was ihm jetzt einiger Vorteile bringt. Im Vorgängerband hat er einige Geheimnisse aufgedeckt, die seinen Glauben an einen guten Himmel auf die Probe gestellt haben. Unter der Hand gibt es Deals zwischen Himmel und Hölle und womöglich Verräter auf beiden Seiten.Bobby ist aktuell nicht in guter Stimmung. Das hat so seine Gründe. Zum einen wird er von einem verrückten, unaufhaltsamen und eigentlich schon zweimal getöteten Serienkiller verfolgt. Zum anderen befindet sich die Frau, in die er sich verliebt hat, in der Gewalt des Höllenfürsten Eligor, der auf Bobby gar nicht gut zu sprechen ist.In seiner Verzweiflung fasst Bobbys den vollkommen verrückten Plan, in die Hölle einzudringen, um seine große Liebe Caz, auch bekannt als Gräfin von Coldhand zurückzuholen. Dabei ignoriert er geflissentlich, dass die Liebe zwischen einer Dämonin und einem Engel nicht unbedingt erfolgsversprechend sein muss. In einem geborgten Dämonenkörper schmuggelt sich Bobby über einen Seiteneingang in die Tiefen der Hölle. Mit einem weiteren Geheimauftrags versehen, erhält er einen Verbündeten, der davon überzeugt ist, dass auch die schwerwiegendste Sünde eines Tages vergeben werden sollte. Mit dessen Hilfe und der eines, in der Hölle geborenen Jungen, muss Bobby sich der grausamen Realität der Unterwelt stellen. Als er sich endlich bis in die Höhen des Pandämoniums vorgearbeitet hat und seine Angebetete findet, fangen seine Probleme erst richtig an.Bobbys Reise durch die Unterwelt wird zu einem lehrreichen wenn auch sehr gefährlichen Abenteuer. Tad Williams stellt nicht nur den Sinn der Hölle, sondern auch die des Himmels in Frage. Oftmals stellt sich die Frage, ob ewige Verdamnis für Sünder, tatsächlich angebracht, und ob die Ewigkeit im Himmel das einzig Wahre ist.Wenngleich Bobbys Reise durch die Hölle ausführlich beschrieben wird, ist sie keineswegs langweilig. Bobby Dollar muss der Leser einfach mögen. Selbst wenn er in Selbstmitleid versinkt, tut er das auf so ironische Art, dass es ein Vergnügen ist, darüber zu lesen. Dies rettet über eine langgezogene Handlung und lässt den Leser bei all dem Grauen doch immer wieder schmunzeln. Zudem weist der Roman eine Sammlung sehr skurriler Charaktere auf, die die Geschichte bereichern. Tad Williams hat es geschafft eine gut durchdachte, konzeptionell ausgereifte Version der Hölle zu präsentieren die sehr vielschichtig ist. Nicht so ganz dem gängigen Bild der Hölle entsprechend aber durchaus passend. So sind die Figuren, egal ob Engel oder Dämon, allesamt mit einer ordentlichen Charaktertiefe ausgestattet. Dies sorgt nicht nur für Glaubwürdigkeit, sondern auch für die eine oder andere Sympathieregung. Was bei Dämonen schon eine ordentliche Leistung darstellt.Zu kritisieren ist die hoffnungslose Planlosigkeit des Helden. Er ist ein reiner Spielball, der geschnappt wird oder entkommt, wie es dem Autor gerade in den Kram passt. Echtes Mitfiebern kommt nicht auf, da ja klar ist, dass er sich in den dritten Teil hinüberretten wird. Trotz zahlreicher Folterexzess macht die Figur keine Entwicklung durch. Er steckt diese ohne Veränderung seiner Persönlichkeit oder Ansichten weg.Erzählt aus Bobbys Sicht in seiner Sam-Spade- oder Philip-Marlowe-Manier hat dieses Buch einige amüsante Momente, aber auch so seine nachdenklich-philosophischen Phasen. Die fortlaufenden Beschreibungen der höllischen Architektur, Geografie und Population ermüden jedoch mit der Zeit. In Kombination mit seinem herrlich trockenen, derbschwarzen Humor hat der Autor ein lesenswertes Buch verfasst, das zwar nicht ganz das Niveau des Vorgängerbandes erreicht. Die Auflösung des großen Rätsels steht noch aus, ebenso wie die Frage nach Bobbys zukünftigem Schicksal, so dass der dritte Teil nicht ausgelassen werden kann. Trotz all den Höllenqualen bleibe ich weiterhin Fan des liebenswert chaotischen Engels.