Solider Südbaden-Krimi mit viel Mystik & zu wenig Tempo
Ich glaube, ich bin schlichtweg noch nicht im Zielpublikum vom Alter her, um dieses Buch wirklich spannend zu finden. Liegt es nun an mir oder ist es doch der Autor...?Thomas Erles Debüt-Roman "Teufelskanzel" ist ein ganz netter, solider Lokal-Krimi aus Südbaden mit einer guten Portion Mystik mit drin, welcher allerdings so einige Schwächen vorzuweisen hat. Zudem ist der Badische Sprache bzw. die Alemannische einfach nur putzig, ulkig und überaus interessant anzuhören. Sehr gut hier eingebracht als Sprache der Einheimischen in Emmendingen und Freiburg. Durchaus positiv gefiel auch mir der gut recherchierte Hintergrund zur keltischen Vergangenheit des Südschwarzwaldes und die mit den Bergen Kandel, Belchen, Feldberg und Grand Ballon eng verbundene Historie der keltischen Brauchtümer. Hier konnte ich persönlich als Leser noch eine Menge lernen und Neues erfahren. Natürlich bewegt sich das alles in sehr esoterischen Gefilden, allerdings bewahrt Autor Erle auch immer eine gewisse Distanz, die seine Hauptfigur Lothar Kaltenbach mitbringt.Bis auf ihn sind alle Charaktere doch eher oberflächlich gestaltet und es fiel einem schwer, sich mit einem Charakter zu sympathisieren. Nur Lothar Kaltenbach selbst wirkt nicht so hölzern. Die Tatsache, dass er Musiker ist, Blues liebt, Vinyl sammelt und eine Vespa fährt, machen ihn durchaus sympathisch. Allerdings agiert er im Verlauf der Geschichte doch oft sehr zaghaft, schüchtern, oder wirkt überfordert mit der Situation. Das zeigt sich vor allem in seinem ungeschickten Umgang mit seinem weiblichen Gegenpart Luise, für die er zwar etwas empfindet und sie schlussendlich rettet, jedoch meist so naiv unpassend agiert, dass es einem manchmal fast peinlich ist... Zudem scheint der Herr (im mittleren Alter) die Möglichkeiten des Internets und des Smartphones noch nicht ganz zu begreifen. Bsp.: Eine abendliche Internet-Recherche gibt er schnell wieder auf, weil es ihn frustriert, nichts zu finden. Er kommuniziert fast ausschließlich durch Festnetz-Telefon und Anrufbeantworter. Und kurz vorm Finale nennt er Smartphones altmodisch "Fotohandys" - und darin zeigt sich auch gut das eigentliche Problem des Buches:Mag die Umgebung Südbadens um Freiburg herum und Geschichte der Berge auch noch so schön beschrieben und detailreich recherchiert sein... wirklich Spannung kommt nicht auf, oder nur sehr selten. Der ganze Schreibstil wirkt manchmal altbacken und vor allemvielzu harmlos. Bis weit über die Hälfte des Buches trudelt der Plot so gemütlich vor sich hin und zieht sich in die Länge. Außerdem macht es der stark erzählerische Schreibstil des Autors zu weilen nicht leicht, konzentriert zu bleiben, weil er sich in belanglosen Nebendetails verliert. Hier wären Kürzungen angebracht, um die Story knackiger/fesselnder zu machen.Das immerhin schlüssige Finale wiederum gerät aber Hals über Kopf und kommt viel zu kurz, überstürzt und undramatisch. Hier wäre noch viel mehr herauszuholen gewesen.Alles in Allem zwar eine nette, solide Geschichte in einer tollen Umgebung, mit vielen Ortsverweisen, guten Beschreibungen und einer Lektion in keltischer Mystik im Schwarzwald, allerdings enttäuscht der Schreibstil und das fehlende Tempo. Vielleicht gefällt dieser gemächliche Stil der älteren Generation Ü50, vielleicht bin ich noch zu jung und Thriller-veliebt für dieses Buch - Aber es hat geschafft, mir schönes Fernweh nach da unten zu machen. Und das will auch was bedeuten.