Thomas Manns Novelle aus dem Jahr 1929 über den Auftritt eines Hypnotiseurs in einem italienischen Badeort ist oft als Parabel auf die Verführbarkeit des Einzelnen und Manipulierbarkeit der Massen gedeutet worden, zugleich aber auch als prophetische Vorwegnahme der späteren Ereignisse in Deutschland. Und auch heute dürfte der Text angesichts der vielen politischen oder religiösen Scharlatane und Rattenfänger auf der Welt kaum etwas von seiner Aktualität verloren haben.
Gereiztheit, eigentümlich Bösartiges bestimmte von vornherein die Atmosphäre bei diesem Ferienaufenthalt in Norditalien, Mitte der zwanziger Jahre; diese Leute ... machten soeben etwas durch, so einen Zustand, etwas wie eine Krankheit ..., nicht sehr angenehm, aber wohl notwendig; das ungute Gefühl wird sich steigern und, nicht nur für die Gäste, durch die alles übersteigernde Gestalt und Wirkung des Zauberers Cipolla, dieses allzu Sicheren, zum tragischen, letztendlich jedoch befreienden Ende führen. Mit dem Bemerken, wer zu gehorchen wisse, der wisse auch zu befehlen, und ebenso umgekehrt; der eine Gedanke sei in dem anderen einbegriffen, wie Volk und Führer ineinander einbegriffen seien, aber die Leistung, die äußerst strenge und aufreibende Leistung, sei jedenfalls seine, des Führers und Veranstalters, in welchem der Wille Gehorsam, der Gehorsam Wille werde, verlockt und verblendet dieser Typus des Scharlatans, des marktschreierischen Possenreißers sein Publikum und hypnotisiert es zu einer trunkenen Auflösung der kritischen Widerstände.
In Mario, dem jungen Kellner, glaubt er, sich steigernd, schließlich ein Opfer gefunden zu haben, das er aufs tiefste demütigen, ja vergewaltigen kann, ohne mit der Würde des Menschen rechnen zu müssen. Wie stark die politisch-moralische Anspielung, in Worten nirgends ausgesprochen, aus dieser Erzählung bereits bei ihrem ersten Erscheinen 1930 wirkte, spiegelt sich in Julius Babs Rezension: Wenn Mussolini etwas von Kunst verstände, müßte er diese Novelle in Italien verbieten lassen.