Der Unbekannte grüßt umgehend mit einem "Wa alaikum as-Salam!" zurück, obgleich dies nach einem "Ja, Himmelherrgott!" eine nicht unbedingt erwartete Antwort darstellt. Willibald Adrian Metzger befindet sich auf einer recht einseitig verlaufenden Verfolgungsjagd zu Fuß. Mit seiner Kondition sieht es im fortgeschrittenen Alter nun doch nicht mehr so gut aus.Fast wie in einer Slapstick-Nummer aus alten Tagen rennen zwei Menschen auf die gleiche Straßenecke zu, wobei es ihnen gelingt, größeren Schaden zu vermeiden. Nach der Schrecksekunde bleibt sogar Zeit für eine zünftige Begrüßung - jeder freilich auf seine Art. Dennoch dehnt sich die besagte Sekunde, zumindest im Falle Metzgers, noch ein wenig aus. Die Überraschung ist insofern gelungen, als der vollbärtige "Zweimeter-Prügel" ausgerechnet jenem Attentäter ähnelt, den Willibald zu verfolgen gedachte. Höfliche Menschen lassen jedoch trotzdem keine Gelegenheit für einen improvisierten Smalltalk aus ...Selbst solche eher nebensächlichen Begegnungen werden unter Federführung Thomas Raabs zu kleinen Höhepunkten. Es kommt eben ganz darauf an, wie man zum Beispiel die Körpergröße des Bärtigen definiert, der an der "Zweitausender-Marke kratzt" ("in diesem Fall Millimeter"), oder wie dieser aus einer eher beiläufigen Bemerkung Metzgers ein Shakespeare-Zitat herausliest.Das ist großes Theater auf kleinstem Raum, wobei jetzt die Überleitung auf das große Ganze leichtfällt. Auch in "Der Metzger" legt Thomas Raab jedes Wort auf die Goldwaage, denn selbst (scheinbar) unbedeutende Details, ob Handlung oder Personen betreffend, werden auf höchstem Niveau formuliert und lassen Leserinnen und Leser nicht selten über die Raab'sche Verbalakrobatik stolpern.In diesem Fall dürften die Herren Literaten tatsächlich mit ihrer Kritik bezüglich des von ihnen verachteten Genres ins Schwarze treffen, indem sie Kriminalromane als "intellektuellen Parasitenbefall" bezeichnen. Derart kopflastige Schelte mag Thomas Raab aber eher zur Ehre gereichen, denn wer ständig für ein ebenso poetisches wie spitzfindiges Amüsement sorgt, kann kein Sünder sein. Selbst wenn Grenzbereiche der Harmonie gnadenlos ausgelotet werden.Was bleibt seinem uneingeschränkten Hauptdarsteller, dem Restaurator Willibald Adrian Metzger auch anderes übrig, wenn seine, noch immer nicht angetraute, Lebensgefährtin Danjela Djurkovic von ihrem unvergleichlichen Prinzip, die Dinge nicht einfach zu formulieren, keinesfalls abrücken will. Wozu auch, wenn es "so wunderbar kompliziert geht".Worum es in diesem Roman geht? Kein Wort darüber, zur Abwechslung einmal. Zu viel hat "Der Metzger" zu bieten. Doch wer gerne schnell und "flüssig" liest, darf gerne schon auf den ersten Seiten aufgeben. Auch wer keinen rabenschwarzen Humor verträgt, sollte zu Hause bleiben. Den Rest der versammelten Krimi-Gemeinde erwartet ein Premium-Kriminalroman oder wie die Djurkovic sagen würde:"Na gratuliere! Ist offenbar harte Tobak!"