Torsten Weiler, Journalist und Autor, ist in der Seidenstadt Krefeld aufgewachsen und hat mit diesem historischen Roman auch seiner eigenen Familiengeschichte gedacht. Reisen wir mit ihm zurück in die Stadt Krefeld des Jahres 1820 und lesen die interessante Lebensgeschichte seines Vorfahren Gustav Puller (1820-1863) Worum geht's? Gustav Puller, Sohn des Bäckers, wird 1820 geboren, isst zwar gerne das Brot und die anderen Backwaren aus der väterlicher Bäckerei, seine Liebe gilt seit Kindheitstagen der Seide und deren Herstellung. Das hat er nämlich bei seinem Schulfreund Willi, dessen Familie Seidenweber in Heimarbeit sind, gesehen. Er ist fasziniert, wie einzelne Fäden zum feine Gespinst verwoben werden. Und, Gustav ist wissbegierig! er liebt es zu lernen und ist zunächst enttäuscht, als er mit der Schule aufhören muss. Doch dann darf er, nachdem einer seiner Bruder das Bäckerhandwerk erlernt, gemeinsam mit Willi bei einem renommierten Krefelder Seidenweber in die Lehre gehen. Die Arbeit ist hart, doch es gelingt den beiden, eine eigene kleine Lohnweberei zu eröffnen, in der sie später, dann schon auf den höchst komplexen Jacquard-Webstühlen, die Lochkarten betrieben werden, die Krefelder Krawattenseide weben. Natürlich geht das nicht ohne zahlreiche Schwierigkeiten ab. Da sind zum einen die Abhängigkeit vom Seidenverlegern, der ihnen zu Beginn sowohl den Webstuhl als auch das Material zur Verfügung stellt, sodass die Weber "nur" die Arbeitskraft zur Verfügung stellen. Die Bezahlung ist eher schlecht und bei krankheitsbedingter Verzögerung der Lieferung gibt es kräftige Abzüge. Aber das Gewerbe ist auch von der Konjunktur und vom Markt abhängig. Als in Amerika Krefelder Seide gefragt ist,werden Dutzende Weber und Weberinnen angelernt, nur um beim späteren EInbruch des Exports sofort entlassen zu werden. Das führt zur Verarmung der Bevölkerung uns in weiterer Folge 1848 zu Revolution. Das Leben der Seidenweber hängt am sprichwörtlichen seidenen Faden. Als dann 1849 Krefeld an das Eisenbahnnetz angeschlossen wird, scheint es wieder aufwärts zu gehen. Als diese Ereignisse verpackt Autor Torsten Weiler in einen fesselnden historischen Roman. Gleichzeitig erfahren wir wie Webstühle aufgebaut sind, was Schuss und Kette sind, wie man das Schiffchen und die Fächer bedient. Sehr geschickt ist die Erklärung über die Funktion des Jacquard-Webstuhles in die Handlung integriert. Das hat mich gleich an die Führung in einer Weberei im österreichischen Waldviertel erinnert, wo ich das Weben an unterschiedlichen Webstühlen, einfache und originalen Jacquard-Webstühlen erklärt bekommen habe und auch ausprobieren durfte. Dass diese zunächst halbautomatischen und später mit Dampf betriebenen Webstühle zahlreiche Weberfamilien arbeitslos gemacht haben, und z.B. in Lyon zur Zerstörung der Maschinen durch brotlosen Weber geführt haben, lässt sich auch nachvollziehen. Einen kurzen Einblick in so eine Fabrik erhalten wir als Gustav, Willi und Theo nach Gladbach reisen, um Theos Tochter nach Hause zu holen, die nach einem Zerwürfnis mit dem Vater ausgerissen ist. Torsten Weilers Schreibstil ist flüssig und lässt die Zeit zwischen 1820 und 1870 mit all ihren Facetten sehr gut auferstehen. Das Leben der Menschen ist detailliert beschrieben. So wird am Markt eingekauft, so mancher Dieb muss am Pranger stehen und wir erfahren auch, dass es so etwas wie Armenfürsorge gibt, Aufgefallen ist mir, weil ich mich selbst schon mit der Geschichte Seidenerzeugung in Wien beschäftigt habe, dass der neugierige Gustav nie fragt, woher die Seidenfäden kommen. Er beschäftigt sich zwar mit Flora und Faune, die er im Garten findet, aber die Seidenraupen und die Maulbeerbäume finden keine Erwähnung. Kann natürlich sein, dass die Seidenraupenzucht in Krefeld wegen des nicht passenden Klimas keine Rolle gespielt hat und man die Rohseide aus Lucca oder Lyon importieren musste. In Wien hat nämlich Maria Theresia (1717-1780) angeordnet, eine eigene Seidenraupenzucht inklusive der Pflanzung von Maulbeerbäumen zu beginnen. Hat nicht wirklich gut funktioniert. Einzelne Maulbeerbäume haben das Experiment überlebt. Wenn ich die Ankündigung richtig im Kopf habe, so wird es eine Fortsetzung geben, auch wenn Gustav Puller nicht mehr am Leben ist. Sein kleiner Sohn Peter ist ähnlich neugierig wie er und liebt Stoffe. Sein Berufswunsch: er will Schneider werden. Fazit:Dieser historische Roman hat mir sehr gut gefallen, weshalb er eine Leseempfehlung und 5 Sterne erhält.