Inhalt:
Maria ist kein Kind von Traurigkeit und teilt ihrem Josef die Schwangerschaft kurzerhand als "Wunder" mit. Irgendwie ist es tatsächlich ein Wunder, wenn Gott höchstpersönlich der Erzeuger ist.
Gerade erst geboren, wird Jesus mit zotigen Witzen schon bald zur Nervensäge und ziemlich schnell in die Welt hinausgeschickt.
Statt Bergpredigt, Wunderheilung und Fasten ist Jesus allerdings auf der Suche nach Wein, Weib und Gesang. In Judas findet er zwar einen Jünger, aber statt eine neue Religion zu gründen, landet er am Kreuz (in einem Theaterstück).
Vielleicht ist es für Gott nun an der Zeit, seinen Plan zu hinterfragen ...
WARNUNG!
"Dieses Buch könnte Ihre religiösen Gefühle verletzen. Schlagen Sie es bitte nur auf, wenn Sie sicher sind, dass Sie keine haben."
(Zitat)
Mein Eindruck:
Vor Beginn der Lektüre sollte jedem Lesenden klar sein, dass es sich um Satire handelt und der Humor von Walter Moers sehr speziell ist. Die oben zitierte Warnung ziert nicht grundlos die Rückseite des Buches ;-)
In dem Erlöser sind viele Charakterzüge des kleinen Arschlochs zu finden, dessen Humor und Wortwahl deutlich unter der Gürtellinie man entweder liebt und witzig findet oder komplett verteufelt und niveaulos.
Die Neuerzählung ist nichts für bibeltreue Christen. Gewisse Vorkenntnisse sollten aber vorhanden sein, damit die Anspielungen und Gags nicht ins Leere laufen.
An dem Bild der "Jungfrau" Maria wird kräftig gedreht: unbefleckte Empfängnis? Naja ... Es kommen keinerlei Zweifel auf, dass sie deutlich Spaß an der Sache hat - wenn auch nicht mit ihrem Josef - und ihre Reize auch einzusetzen weiß. So bewahrt sie ihren Sohn vor Schlimmerem, indem sie mit den drei Weisen aus dem Morgenland ins Bett hüpft.
Eigentlich sind es nur zwei Weise, aber da einer der beiden schizophren ist, passt's. Die Dialoge, die daraus entstehen sind herrlich schräg.
In anderen Punkten hält sich Moers stärker an das Original und so werden besonders die Grausamkeiten von Herodes in dem Bildern immer wieder deutlich (gefolterte Gefangene im Hintergrund).
Dass Gott einen ganz eigenen schrägen Humor hat, beweist die Tatsache, dass seine als Boten eingesetzten Engel, die Kleidung tragen, in der sie gestorben sind. Josef erhält Besuch von einem Engel im Ganzkörpertaucheranzug mit offenem Schritt (Herzinfarkt bei einer Natursektparty) und später von einem splitternackten Engel mit Mohrrübe im Hintern, der auf Nachfrage schamesrot anläuft und lieber nicht darüber sprechen möchte.
Selbstverständlich hat auch Satan persönlich einen Kurzauftritt und wenn Gott nicht eingeschritten wäre, hätte sich der (erst seit wenigen Stunden) fastende Jesus für ein Butterbrot verkauft.
Neben platten und derben Witzen bietet dieser bitterböse und beinahe blasphemische Comic aber auch Passagen, die zum Nachdenken anregen.
Ein Messias, der statt Nächstenliebe und Verbreitung einer neuen Religion nur das eine im Kopf hat, und ein Gott, der an sich und seinem Plan zweifelt. Das Vater-Sohn-Verhältnis ist schon reichlich schräg.
Am Ende sieht Gott (dank Petrus) ein, dass beim eigentlichen Wesen des Menschen (egoistisch, asozial ...) sein erster Ansatz einer Religion vollkommen falsch war.
Eine Leseempfehlung für alle Walter-Moers-Fans!
"Jetzt bestellen oder wollen Sie warten bis zum Jüngsten Tag???"
(Zitat)
Fazit:
Auf den ersten Blick schräg, witzig und grenzwertig.
Auf den zweiten Blick kritisch und mit Tiefgang.
...
Rezensiertes Buch: "Jesus total: Die wahre Geschichte" aus dem Jahr 2022;
erstmals veröffentlicht in den Bänden "Es ist ein ..., Maria" (1992) und "Es ist ein ..., mein Sohn" (1995)