Manchmal lese ich Bücher, die sich fast unauffällig anschleichen. Keine großen Gesten, kein lautes Drama. Und genau deshalb denkt man dann länger über sie nach.
Liaisons war für mich so ein Roman. Kurz, leicht zu lesen, elegant erzählt. Und doch steckt in diesen wenigen Seiten erstaunlich viel über Begehren, Freiheit und die stillen Veränderungen, die das Gleichgewicht innerhalb einer Beziehung verschieben können.
Im Mittelpunkt steht Lauren, die nach fünfzehn Jahren Ehe spürt, wie sehr sich ihr Leben verfestigt hat. Die Affäre mit ihrem Kollegen Maxime beginnt spielerisch, beinahe harmlos, wird aber schnell zu einem Versuch, sich selbst wieder näherzukommen.
Während Lauren sich öffnet, gerät Maximes sicher geglaubtes Leben aus dem Gleichgewicht. Auch seine Ehe mit Nadia zeigt Risse, die nicht mehr zu übersehen sind.
Besonders berührt hat mich Nadias Perspektive. Diese leise Erschöpfung nach Jahren der Selbstoptimierung, der Moment des Zusammenbruchs. Und plötzlich passiert etwas, das sich wie Freiheit anfühlt. Dass ausgerechnet die junge Babysitterin Emma diesen Prozess auslöst, verleiht der Geschichte eine überraschende Frische. Emma wirkt ungebunden, fast schwerelos, auch wenn ihre Entscheidungen mehr bewegen, als ihr vielleicht bewusst ist.
Selbst Jean, Laurens Ehemann, bleibt von diesen Verstrickungen nicht unberührt.
Was ich an Liaisons besonders mochte ist, dass Céline Robert nicht urteilt. Keine Figur wird bloßgestellt, niemand eindeutig verurteilt oder entschuldigt. Alle handeln widersprüchlich, emotional, manchmal egoistisch und genau darin liegt ihre Glaubwürdigkeit. Die moralische Ambivalenz trägt den Roman und macht ihn so spannend.
Am Ende fügt sich alles still zusammen. Kein Paukenschlag, sondern ein präzise gesetzter Moment, der noch einmal alles neu sortiert.
Ein Buch für einen Abend.
Und für Gedanken, die länger bleiben.