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Mitgift

Roman

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Nominiert für den Deutschen Buchpreis 2021

Ein großer Familienroman, der die Spuren deutscher Geschichte sichtbar macht

Seit sieben Generationen in Folge bewirtschaften die Leebs ihren Hof in der niedersächsischen Provinz. Schließlich gilt es, das Familienerbe zu wahren - allen historischen Umbrüchen zum Trotz. Doch über die Opfer, die jeder Einzelne erbringen muss, wird geschwiegen. Henning Ahrens erzählt den Roman einer Familie und entwirft ein Panorama der ländlich-bäuerlichen Welt des 20. Jahrhunderts.

Gerda Derking kennt sich aus mit dem Sterben. Seit Jahren richtet sie die Toten des Dorfes her, doch in jenem August 1962 würde sie die Tür am liebsten gleich wieder schließen. Denn vor ihr steht Wilhelm Leeb - ausgerechnet er, der Gerda vor so vielen Jahren sitzen ließ, um sich die Tochter von Bauer Kruse mit der hohen Mitgift zu sichern. Wilhelm, der als überzeugter Nazi in den Krieg zog und erst nach Jahren der Kriegsgefangenschaft aus Polen zurückkehrte. Der gegen Frau und Kinder hart wurde, obwohl sie jahrelang geschuftet hatten, um Hof und Leben zu verteidigen. Doch nun zeichnet sich auf seinem Gesicht ein Schmerz ab, der über das Erträgliche hinausgeht. Und Gerda Derking ahnt: Dieser Tragödie sind die Leebs ohne sie nicht gewachsen. In seiner epischen Familienchronik rückt Henning Ahrens den Verwundungen des vergangenen Jahrhunderts auf den Leib und erzählt ebenso mitreißend wie empathisch vom Verhängnis einer Familie.

Produktdetails

Erscheinungsdatum
21. August 2021
Sprache
deutsch
Auflage
4. Druckaufl., 2021
Seitenanzahl
352
Autor/Autorin
Henning Ahrens
Verlag/Hersteller
Produktart
gebunden
Gewicht
454 g
Größe (L/B/H)
132/206/31 mm
Sonstiges
gebunden mit Schutzumschlag
ISBN
9783608984149

Portrait

Henning Ahrens

Henning Ahrens, 1964 in Niedersachsen geboren, lebt als Schriftsteller und Übersetzer in Frankfurt. Er übertrug unter anderem die Werke von Jonathan Safran Foer, Colson Whitehead, Meg Wolitzer und Richard Powers ins Deutsche. Für sein literarisches Werk erhielt er mehrere Auszeichnungen. Zuletzt erschien sein Roman »Mitgift«, der für den Deutschen Buchpreis 2021 nominiert war.


Pressestimmen

»Henning Ahrens erzählt in seinem Roman Mitgift von Vätern und Söhnen, Gewalt und Auswegslosigkeit. Es ist ein Glanzstück. [. . .] Nur mit zeitlicher und räumlicher Distanz kann ein so bewegender, einfühlsamer und zugleich in seiner Klarheit unerbittlicher Roman entstehen. «Christoph Schröder, Die Zeit Online, 26. August 2021 Christoph Schröder, Die Zeit

»Deutsche Hybris, deutsche Nazi-Schuld und die Bürde weitervererbter Kriegstraumata: Zugegeben, das klingt alles nicht ganz neu. Aber es sind anscheinend Themen, die immer noch nicht auserzählt sind, wie dieser spannende und lange nachwirkende Familienroman beweist. «Gisa Funck, Deutschlandfunk, 23. August 2021 Gisa Funck, Deutschlandfunk

»Henning Ahrens erzählt eine spannende, anrührende Geschichte, die zum Nachdenken anregt. «Knut Cordsen, Diwan, 21. November 2021 Knut Cordsen, BR Diwan

»Über sieben Generationen hinweg betrachtet Henning Ahrens in seinem Roman Mitgift` eine Familie im Spiegel der Zeiten. Aus seiner literarischen Ahnenforschung ist ein faszinierendes Geschichtspanorama geworden. [ ] Es [ist] die Sprache, deren Magie die Bilder dieses Familienalbums zum Leben erwachen lässt«Stefan Kister, Stuttgarter Zeitung, 06. Oktober 2021 Stefan Kister, Stuttgarter Zeitung

»Es sind in letzter Zeit einige Bücher erschienen, die sich wie Nachrufe auf das Landleben in Deutschland lesen: dies ist wahrscheinlich das bedeutendste. «George Webber, Stadtblatt Osnabrück, Oktober 2021 George Webber, Stadtblatt Osnabrück

» Mitgift erinnert, besonders aufgrund der stark herausgearbeiteten Vater-Sohn Beziehung, stellenweise an Siegfried Lenz Deutschstunde . Ein Roman, der spürbar macht, dass Kriege und Regime nicht mit deren Beendigung bzw. Sturz enden. «Jens Roger, Lesering. de, 31. August 2021 Jens Roger, Lesering. de

»Henning Ahrens [ ] zeigt einmal mehr, wie eindrucksvoll er selbst den Geist einer Zeit, einer Region und ihrer Menschen lebendig machen kann. Man meint augenblicklich, den Geruch des alten Hofs in der Nase zu haben. «Stern, 19. August 2021 Stern

»Der kluge Roman zeigt subtil, wie sich in dieser Bauernwelt die Macht verteilt. Es ist ein Buch wie Schwarzbrot. Man muss kräftig kauen, bis sich der Geschmack entfaltet. Aber ein Buch, das ins Mark geht, langsam erzählt, mit genauem, warmem Blick. «Peter Helling, NDR, 19. August 2021 Peter Helling, Norddeutscher Rundfunk

Besprechung vom 04.11.2021

Hatte Wilhelm die Wahl?

Die schmerzenden Füße der Tradition: Henning Ahrens schildert in "Mitgift" seine niedersächsische Heimat und wie man an ihr zerbrechen kann.

Im Frühjahr 1946 schickt die Bäuerin Käthe Leeb ihren fünfzehnjährigen Sohn Wilhelm zum Arzt in die nahe Stadt Peine, "im Sonntagsstaat, mit einem Beutel, der Butterbrote, Geld und eine Bügelflasche mit Himbeersaft enthält". Weil der Junge jahrelang zu enge Stiefel getragen hat, sind ihm zwei Zehen zusammengewachsen, die der Arzt nun mit dem Skalpell trennen soll. Unterwegs gerät er mit einem Flüchtling aneinander, als er sich selbst mit dem Hitlerjungen-Slogan "zäh wie Leder, hart wie Kruppstahl" ermahnt und sein Gegenüber ihn stellvertretend für alle nationalsozialistischen Würdenträger beschimpft. Zurückgekehrt muss der Junge, der sich eigentlich, so der Arzt, vier Wochen lang schonen sollte, gleich wieder aufs Feld, mit blutenden Füßen. Im Kopf hat er die Stimme seiner Großmutter: "Du bist jetzt der Bauer", sagt sie zu dem Enkel, der den selben Vornamen trägt wie sein Vater und Großvater, und verspricht: "Wenn dein Vater aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehrt, wird er stolz auf dich sein."

Dass es anders kommen wird und warum, erzählt Henning Ahrens in seinem Roman "Mitgift". Es ist die Geschichte der Familie Leeb, seit einigen Hundert Jahren ansässig auf einem Hof in dem Dorf Klein Ilsede bei Peine, und es ist die des Dorfes selbst, in dem die Leebs eine herausragende Position einnehmen. Geheiratet wird nur ausnahmsweise nach Neigung, und wenn, dann sollte die Neigung mit wirtschaftlichen Interessen einhergehen, etwa dem Arrondieren von Landbesitz. Die Tradition spielt eine große Rolle, auch wenn von Ausbruchsversuchen Einzelner berichtet wird, die aber über Generationen hinweg stets irgendwie ins Gleis zurückführen - und sei es, dass der leichtfertig einer Sekte vermachte Hof von den Verwandten des Erblassers zurückgekauft und in jahrelanger harter Arbeit schuldenfrei gemacht wird.

All das nimmt Elemente auf, die dem literarischen Dorfroman seit seinem Entstehen im neunzehnten Jahrhundert zu eigen sind, wenn auch in unterschiedlicher Zusammensetzung. Was - etwa in den Geschichten Berthold Auerbachs - mit dem Anspruch beginnt, dem realistischen Erzählen zum Durchbruch zu verhelfen, driftet Jahrzehnte später gern in eine idyllisierende Richtung, die der "kranken" Großstadt eine vermeintlich heile Welt gegenüberstellt. Spätestens nach dem Zweiten Weltkrieg schlägt das ins Gegenteil um, und etwa in den Romanen des Österreichers Franz Innerhofer bleibt von der Idylle nichts übrig. In jüngster Zeit erlebt das Erzählen vom Land eine Renaissance, nur ist es da nicht mehr die fremde Welt der Stadt, die über unwissende Landbewohner kommt, sondern es sind die Städter, die sich daran zu gewöhnen haben, wie man in den kleinen Gemeinschaften der Provinz lebt.

Henning Ahrens schreibt nicht zum ersten Mal vor dem Hintergrund jener niedersächsischen Gegend, aus der er stammt. Allerdings ist seine Erzählhaltung in "Mitgift" eine andere als etwa im Debüt "Lauf Jäger lauf" (2002) oder in "Glantz und Gloria" von 2015. Dass er sich der eigenen Familiengeschichte zuwendet, macht das Nachwort deutlich, in dem der Autor auch Bezüge zwischen seinen Romanfiguren und den Vorfahren herstellt. Diese autobiographische Grundierung im weiteren Sinn, die auch ein Studium der Überlieferung des realen Dorfs Klein Ilsede durch den Autor umfasst, stößt allerdings dort an ihre Grenzen, wo die literarischen Figuren ein Eigenleben entwickeln: "Mitgift", heißt es da, "erzählt von der Vergangenheit meiner Familie - gewissermaßen", denn "Romanpersonal" habe nun mal "die Neigung, eigene Wesenszüge anzunehmen", und im Übrigen schreibe er größtenteils über Personen, die er selbst nicht mehr gekannt habe.

Tatsächlich setzt die Handlung 1962 ein, nach dem Selbstmord eines Protagonisten - der Autor wurde 1964 geboren. Dieser Beginn, an dem der Bauer Wilhelm Leeb vor der Tür seiner Nachbarin Gerda Derking steht, der inoffiziellen Leichenwäscherin des Dorfs, ist dann in chronologischer Sicht auch schon fast das Ende des Romans, der weit in die Vergangenheit zurückblickt und seine Kapitel eher assoziativ (dabei aber einleuchtend) aneinander reiht als der Zeitenfolge nach. Dabei kristallisieren sich zentrale Themen heraus, die immer neu durchgespielt werden: das Verhältnis zum ererbten Besitz etwa oder das zur Obrigkeit, das Militärwesen und die Kriegserfahrungen, ein Schlachtfest, die Arbeit auf dem Feld und im Stall, und nicht zuletzt die Verantwortung gegenüber anderen, die wahrgenommen wird oder eben nicht.

Wie erzählt Ahrens all das? Sein Ton ist sachlich, er nimmt wechselnde Perspektiven ein und stellt sie gegeneinander, er zeigt, was jeweils die Entwicklungen anstößt, die kleinen Katastrophen und auch die große, aber er hütet sich vor Erklärungen oder Rechnungen, die allzu glatt aufgingen. Dass aber diejenigen, die da auf dem alten Hof miteinander leben und sich die Generationenklinke in die Hand geben, lange Zeit aufs Engste miteinander verstrickt sind, teilt sich ebenso mit wie dass es am Ende nur auf den Entschluss ankommt, die neue Zeit nach dem Krieg in ihren Umwälzungen anzuerkennen, um endlich auszubrechen.

So belässt es dieser geschmeidige und dabei souveräne Roman nie nur bei der Geschichte einer Familie, eines Dorfes. Und vielleicht ist er auch mehr als die Schilderung der Epoche, auf die sich der Roman wesentlich konzentriert - die Zeit des Nationalsozialismus und die der frühen Bundesrepublik mit, so scheint es hier zunächst, mehr Kontinuitäten als Brüchen.

Stattdessen stellt er Fragen, die kaum zu beantworten sind, allen voran die nach der Unausweichlichkeit des Geschehens. Wilhelm Leeb, der Großvater, denkt im April 1944 - und sicher nicht zum ersten Mal - über seine eigene Rolle in dieser Generationenfolge nach. Er sei "mit sich im Reinen", heißt es da: "Hätte er die Wahl gehabt, dann wäre er kein Bauer geworden, aber er musste in die Fußstapfen der Vorväter treten, so war es nun mal." Es gehört zur Raffinesse des Autors, dass er den blutenden Füßen des Enkels einen so beiläufigen wie eindringlichen Auftritt gibt. Man behält ihn im Kopf, wenn später der Bauer aus der Gefangenschaft heimkehrt, das Regiment wieder übernimmt - und dem schwer schuftenden Sohn die neuen Stiefel verweigert. TILMAN SPRECKELSEN

Henning Ahrens: "Mitgift". Roman.

Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2021. 352 S., geb.

© Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt.

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LovelyBooks-BewertungVon Juditha am 19.09.2022
Eine jahrhundertelange Familiengeschichte, die tragisch endet. Sehr emotional und wortgewaltig. Klasse Buch, Empfehlung! Ich habe das Buch als Hörbuch bei audible gehört und war wirklich begeistert. Alle Personen und Ereignisse sind so glaubhaft und lebendig, es macht Freude und auch traurig. Die Familiengeschichte wird vom 18. Jahrhundert bis in die 1960er Jahre geschildert, nicht chronologisch, sondern der Autor bringt immer wieder neue Aspekte. Interessant und bewegend.
Von Kaffeeelse am 15.02.2022

Erbe

Ein weiteres Buch aus der 2021er Longlist des Deutschen Buchpreises. Interessant und spannend. Henning Ahrens erzählt die Geschichte der deutschen Familie Leeb in der niedersächsischen Provinz. Dabei erspielen sich die Figuren dieser Familie Leeb meistens keinen Platz in meinem Herzen. Eher kommt mir diese Familiengeschichte als eine Abrechnung mit den sogenannten deutschen Tugenden vor. Eher zeigt diese Familiengeschichte wie deutsche Hartherzigkeit und das zentral gestellte Denken um das Weiterführen eines Hofes und eine strikt patriarchal geführte Welt einer Familie Schmerz und Leid bringen. Wie eine Familie aus egozentrischen Gründen dysfunktional wird. Es ist eine tragische Vater-Sohn-Geschichte. Ein Vater, der an seinem Sohn nichts Gutes findet und dies dem Sohn auch genussvoll vermittelt. Hier wundert sich sicher die Leserschaft. Aber in den Blicken zurück in der Ahnentafel der Familie Leeb wird klar, dass dieses Triezen und einander nichts Gönnen in der Familiengeschichte schon fast Tradition hat. Dennoch hat dieses miteinander Umgehen natürlich Folgen, entsetzliche Folgen! Bei der Lektüre habe ich mich gefragt, wie viele genau solche Familiengeschichten es wohl in unserem Land/in unserer Welt gibt? Wie viele Menschen mussten wohl aus den falschen Gründen Entscheidungen treffen, die sie letztendlich unglücklich gemacht haben? Die Kürze unseres Lebens verbietet eigentlich Entscheidungen, die Unglück fördern. Aber sind diese meine Gedanken unwirklich und/oder ein märchenhaftes Wunschdenken? Gibt es denn solche Entscheidungen, solch ein wirtschaftliches Denken nur bei uns in Deutschland? Oder sind solche Gedanken nicht überall in der Welt verbreitet? Sicherlich gibt es dieses zerstörerische Denken überall. Aber warum verbinde ich solch eine Denke so sehr mit Deutschland? Aus der Geschichte heraus? Aus dem Erleben heraus? Aus der psychiatrischen Arbeitswelt heraus? Dazu nur noch eine These, wo leben wohl die glücklichsten Menschen der Erde und wo die unglücklichsten? Darüber sollte man gerade wegen der Kürze unseres Daseins auf dieser Erde einmal nachdenken! Denn dieses Mitgift-Denken hier ist tödlich und zerstörerisch, was die Familie Leeb leider am eigenen Leib erfährt und hoffentlich darüber zu einem Begreifen kommt. Genauso wie die Leserschaft das begreift/das begreifen soll.