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Der Philosoph

Habermas und wir | Ein neuer Blick auf einen der weltweit einflussreichsten Intellektuellen der Nachkriegszeit

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Das intellektuelle Gesicht einer Epoche

Solange Philipp Felsch zurückdenken kann, war Jürgen Habermas around: als mahnende Stimme der Vernunft, als Stichwortgeber der Erinnerungskultur, als Sohn der Nachbarn seiner Großeltern in Gummersbach.

Neigt sich die intellektuelle Lufthoheit des Philosophen heute ihrem Ende zu, oder bekommen seine Ideen in der Krise unserer »Zeitenwende« neue Brisanz?

Felsch liest in einem kaum zu überblickenden Oeuvre nach, folgt dessen Autor in die intellektuelle Kampfzone der Bundesrepublik und fährt nach Starnberg, um Habermas zum Tee zu treffen. Dabei entsteht nicht nur das Porträt eines faszinierend widersprüchlichen Denkers, sondern auch der Epoche, der er sein Gesicht verliehen hat.

Produktdetails

Erscheinungsdatum
29. Februar 2024
Sprache
deutsch
Auflage
Auflage
Seitenanzahl
256
Autor/Autorin
Philipp Felsch
Verlag/Hersteller
Produktart
gebunden
Gewicht
328 g
Größe (L/B/H)
209/132/26 mm
ISBN
9783549100707

Portrait

Philipp Felsch

Philipp Felsch, geboren 1972, ist Professor für Kulturgeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin. Im Studium las er lieber die Bücher von Michel Foucault und Niklas Luhmann als den Strukturwandel der Öffentlichkeit. Sein Buch Der lange Sommer der Theorie. Geschichte einer Revolte, 1960 1990 (2015) wurde für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert, zuletzt erschien Wie Nietzsche aus der Kälte kam (2022).

Pressestimmen

»Ein Glück auch für den Porträtierten, vor allem aber ein Glück für alle, die sich für Geistesgeschichte interessieren. Denn Felsch besitzt das seltene Talent, komplexe Philosophie in Erzählungen anschaulich machen zu können.« Linus Schöpfer, Neue Zürcher Zeitung am Sonntag

»Der Kulturhistoriker Philipp Felsch erzählt elegant, was Jürgen Habermas in seiner Gelehrtenkarriere alles stemmte.« Alexander Cammann, Die Zeit

»Jeder, der in den letzten Dekaden die Primärtexte von Habermas mitunter auch mühsam gefunden hat, wird in dieser Sekundärliteratur entschädigt.« Philipp Oehmke, Der Spiegel

»Felsch gelingt das Kunststück, über einen Denker mitreißend zugänglich zu schreiben, ohne dessen Denken zu verraten.« Jens-Christian Rabe, Süddeutsche Zeitung

»Ein leichtfüßiges und elegantes, ebenso treff- wie stilsicher formulierendes Buch.« Florian Meinel, Frankfurter Allgemeine Zeitung

»Es ist nicht die erste Biografie über Jürgen Habermas, aber die erste, die unterhaltsam zu lesen ist.« Die Welt

Besprechung vom 08.03.2024

Die Feindortung klappte immer

Hommage an einen public intellectual mit Langzeitrekord: Philipp Felsch folgt dem politischen Denkweg von Jürgen Habermas.

Die Bezeichnung als "Hegel der Bundesrepublik", die ihm eine Zeitung vor bald einem Vierteljahrhundert verlieh, hängt an Jürgen Habermas wie das Kaisertum an Franz Beckenbauer. Dabei ist der Vergleich im Grunde schief. Von einer vergleichbaren öffentlichen Präsenz zu Lebzeiten und einem vergleichbaren politischen Einfluss auf das Geistesleben des Landes hätte Hegel die meiste Zeit seines Lebens nur träumen können: Von einem berühmten Artikel in dieser Zeitung, der 1953 das lautlose Comeback Martin Heideggers zum Skandal machte, über die Studentenbewegung und den Historikerstreit bis zur deutschen Russlandpolitik seit 2022 - über siebzig Jahre hinweg in allen politischen Debatten Position zu beziehen und relevant zu sein ist Weltrekord auf der Ultralangstrecke des public intellectual.

Der in Berlin lehrende Kulturwissenschaftler Philipp Felsch, durch höchst originelle Bücher zur Ideengeschichte der Bundesrepublik bekannt geworden, nähert sich Habermas in seinem neuen Buch deswegen so, wie man sich einem zurückgezogenen Star nach der großen Karriere eben nähert, wie man Paul McCartney in East Hampton oder Roger Federer am Zürichsee besuchen würde: Was macht die Villa her? Wie sieht es da aus? Wie ist man eingerichtet? Was trägt der Hausherr? Wie kommentiert er die Welt nach seiner aktiven Zeit?

Felsch durfte Habermas zweimal zu Hause besuchen, hat auf der Couchecke gesessen, sich Tee servieren lassen und die großen Geschichten, die man überall längst nachlesen kann, noch einmal aus erster Hand gehört. Die Schlüsselszenen dieser Starnberger Homestory, die Felsch ausbreitet, hatte vor drei Jahren freilich schon die "Zeitschrift für Ideengeschichte" gebracht. Felsch ergänzt kleine Dingsymbole wie die von Habermas getragenen amerikanischen Turnschuhe. Es waren beim ersten Besuch "fabrikneue Reeboks", weshalb Felsch "der Hausherr an der Tür wie ein Amerikaner" vorkam. Beim zweiten Besuch sehen dieselben Turnschuhe "nicht mehr ganz so strahlend" aus - für Felsch ein "Sinnbild" für den Niedergang von Habermas' Idealisierung des alten Westens und einer zivilisierenden amerikanischen Hegemonie. Hier kippt der Touch des Authentischen ins Klischee, schon weil Reebok seine Sneaker seit Langem global vertreibt und die aus England stammende Marke von 2005 bis 2021 zur deutschen Adidasgruppe gehörte.

Von dieser leicht anbiedernden Rahmenhandlung abgesehen, hat Felsch ein kluges und höchst unterhaltsam geschriebenes Buch über den politischen Denkweg von Habermas geschrieben, an dessen Leitfaden er die historischen, philosophischen und politischen Selbstverständigungsdebatten der alten Bundesrepublik noch einmal besichtigt. Zwar geht es, anders, als der Verlag es im Titel behauptet, kaum um den Philosophen Habermas. Von seiner Philosophie ist, abgesehen von Kurzreferaten der Theorie des kommunikativen Handelns und des Strukturwandels der Öffentlichkeit, nur am Rande die Rede. Die Bereitschaft der mittleren Bundesrepublik, ihre normativen Konflikte im Medium von Theorien auszutragen, bildet eher den Hintergrund der Handlung, das Energiefeld, in dem das Phänomen Habermas möglich war. Eigene Urteile und Einordnungen vermeidet Felsch meistens. Dafür kommen die Gegner von einst mit ihrer Kritik ausführlich zu Wort. Eher beiläufig stellt Felsch ideengeschichtliche Überlegungen an. So etwa die These, Habermas sei mit seiner sperrigen, sekundärliteraturgesättigten Prosa der Einzige, in dessen Werk der von Roland Barthes verkündete "Tod des Autors" wirklich stattgefunden habe. Damit folgt er aber gleichzeitig einer Selbstdeutung seines Autors aus dem Vorwort zu dem Sammelband "Stichworte zur geistigen Situation der Zeit" von 1979: Der Meisterdenker sagt, mit dem Gestus des Meisterdenkers sei es vorbei.

Das eigentliche Thema des Buches steckt im vereinnahmenden Untertitel "Habermas und wir". Wer dieses Wir ist, erläutert Felsch nicht, aber es versteht sich ja von selbst. Was haben alle gemeinsam, die nicht Habermas sind? Sie haben Habermas gelesen, von ihm gelernt, sind von ihm belehrt worden oder haben sich über ihn geärgert - "Habermas und wir", will heißen: Habermas und wir alle, die er miterzogen hat, Habermas als Erzieher, Erzieher der Bundesrepublik. Nicht in dem gehässigen Sinne, in dem Sloterdijk ihn einen "Theoretiker der Reeducation" genannt hat, sondern wie Felsch es formuliert: mit dem Anspruch von Sozialphilosophie als "Raketenwissenschaft für eine bessere Gesellschaft". In Kapiteln über die nachholende Aneignung der jüdischen Philosophie, über den Historikerstreit, über Presse und Fernsehen, die Generation der 45er und die Wiedervereinigung wirbt Felsch eindringlich für die These, dass die Fragen, wie "wir" zum Erbe der alten Bundesrepublik und zu Habermas' intellektuellem Projekt stehen, nicht unabhängig voneinander beantwortet werden können. Dagegen ließe sich einwenden, dass das Buch damit der verführerischsten aller Selbstdeutungen seines Protagonisten folgt: der Identität seines Denkens mit dem Schicksal der Nachkriegsdemokratie.

Das Buch liest sich auch deswegen so gut, weil eben niemandem seine Lehrer gleichgültig sind, auch wenn man ihre Marotten bisweilen belächelt oder längst andere Fragen stellt. Nur bei einem Erzieher kann man sich zum Beispiel ungehemmt freuen, wenn er sich in den eigenen Maßstäben verheddert. So schildert Felsch ein kleines revolutionäres Lehrstück aus Habermas' Hausverlag im Herbst 1968, als die Suhrkamp-Lektoren die Vergesellschaftung der Produktionsmittel, konkret: die Entmachtung des Eigentümers Siegfried Unseld und die Selbstverwaltung des Lektorats forderten. Habermas befriedete die Krise im Auftrag Unselds wie ein Frankfurter Menenius Agrippa mit einer Fabel über die rechte Einstellung: Die Enteignung könne ja nicht dort beginnen, wo schon die richtige progressive Literatur erscheint. Die Revolte verpuffte, und der Regalausstatter der westdeutschen Intelligenz blieb kapitalistisch.

Weil es um eine Form von Öffentlichkeit geht, die im Zerfall ist, ist es fesselnd, Habermas' Aufstieg zum marktbeherrschenden Philosophieunternehmer zu verfolgen, um den sich vom "Kursbuch" bis zum "Playboy" alle Medien rissen. Fesselnd ist nicht zuletzt die polemische Energie, mit der Habermas sich in Debatten warf, als eine Art Theoriewutbürger, der später zugab, jeden seiner Zeitungsartikel aus Zorn verfasst zu haben. Der "Verfeindungszwang", den Odo Marquard Habermas attestierte, hatte noch einen grandiosen Zug, frei von kleinlichen Empfindlichkeiten. Felsch schildert, wie in Allianzen und Begriffen das Theorieprojekt der Achtzigerjahre Form annahm, nämlich die - so seine hübsche Formulierung - "Rasterfahndung nach den Renegaten der Moderne". Fast jedes Kapitel ist eine kleine Hommage an die Theoriesehnsucht der alten Bundesrepublik, an die Universität der Bildungsexpansion und der streitlustigen Männer mit ihrem Zugang zu den Leitmedien. Die subtilste Distanzierung von seinem Protagonisten verlegt Felsch in die Danksagung mit der Anerkennung, Habermas habe dem Buch keine Steine in den Weg gelegt. Intellektuelle, die Bücher verhindern konnten, those were the days.

Die düstere gegenwärtige Lage könnte dazu verleiten, die letzten Kapitel des Buches über Habermas als politischen Erzieher in einem sehr trüben Licht zu lesen. Wie wir alle steht auch Habermas vor dem Scherbenhaufen deutscher Politikprojekte und deutschen politischen Denkens der letzten Jahrzehnte, nur dass bei ihm eben alles nachlesbar ist. Schicksal des lebenden Denkmals. Angefangen mit einer Demokratietheorie, die sich für das Funktionieren demokratischer Institutionen und ihre unterschiedlichen Bedingungen nie sonderlich interessiert und etwa die Verfassungsprobleme der EU immer aus einer aufreizend deutschen Perspektive gesehen hat. In den Siebzigerjahren lehnte Habermas die Integration als kapitalistisches Projekt ab, das die postnationale Demokratie der Bundesrepublik gefährdet. In den Neunzigerjahren wollte er sie aus demselben Grund um so entschiedener: Nur die EU schien im jetzt in der Lage, die Postnationalität der Bundesrepublik zu garantieren.

Felsch erinnert auch an das, was der Ostberliner Schriftsteller Friedrich Dieckmann den "rheinischen Separatismus" der westdeutschen Linken genannt hat: Mit erstaunlicher Arroganz belehrte Habermas Christa Wolf nach der Wiedervereinigung, die DDR habe die Mentalität der Dreißiger- und Vierzigerjahre konserviert, die Einheit sei darum nur als Fortsetzung der Bundesrepublik denkbar. Der Bundeskanzler, von Habermas zu Beginn des Ukrainekrieges für sein Appeasement gelobt, hat sich noch letztes Jahr zu Habermas als Erzieher bekannt, dem er "damals wie heute viel abgewinnen" konnte.

Habermas habe sich, so notiert Felsch beim Tee in Starnberg, energisch dagegen verteidigt, vom Scheitern seiner Hoffnungen her gelesen zu werden. Spott über desillusionierten Idealismus sei "zu billig. Jeder gute Zeithistoriker schreibt Geschichte nicht nur zynisch vom enttäuschenden Ergebnis her." In diesem Sinne ist Felsch ein exzellenter Zeithistoriker. Sein Buch ist die beste Einführung in Erkenntnis und Interesse, die Habermas und die Bundesrepublik aneinander hatten. FLORIAN MEINEL

Philipp Felsch: "Der Philosoph". Habermas und wir.

Propyläen Verlag, Berlin 2024. 256 S., geb.

© Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt.

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Von yellowdog am 29.02.2024

Ein Besuch bei Habermas

Der Historiker und Kulturwissenschaftler Philipp Felsch besucht den Philosophen Jürgen Habermas in Starnberg. Das Buch ist zu brav. Am Anfang ist der Autor fast unterwürfig, später arbeitet er einige Punkte gut heraus und zeigt Habermas als Mann der Mitte, der Deutschland nach den Krieg bis heute intellektuell begleitete. Es bleibt aber eine zu große Distanz zwischen Autor und Philosoph, daher lernt man den Menschen Habermas zu wenig kennen. Die Einordnung Habermas in seiner Bedeutung in den jeweiligen Zeiten passt aber. Auch das Drumherum wird lebendig. Daher ist das Buch tatsächlich auch spannend und lesenswert.