The FACE

An wen richtet sich dieses Buch? Laut Beschreibung an Hobbyzeichner. Ich würde aber eher sagen an fortgeschrittene Hobbyzeichner? Gleich zu Beginn wird man mit Schattierungsvarianten (v.a. Crosshatching) konfrontiert und danach mit Licht & Schatten von Grundformen (Körpern). Hierbei wird sehr kurz erklärt, dass es diese Formen gibt und dass die Schatten von der Form des Körpers und der Position der Lichtquelle abhängig sind. Inwiefern abhängig wird dem Vorwissen des Hobbyzeichners überlassen. Die gezeigten Körper sind alle perspektivisch dargestellt, auf Fluchtpunkte wird aber gar nicht eingegangen. Im Kapitel Gesichter zeichnen geht es los mit Locker werden, wo es darum geht, auf Fotos die Konturen eines Gesichts mit einer einzigen durchgängigen Linie zu erfassen. Diese Übung kann durchaus sinnvoll sein, aber mir persönlich würde diese EINE Linie (gerade am Anfang) nur noch mehr Druck machen. Diese Einlinienzeichnung dann auf einem leeren Blatt, mit der Referenz nur daneben, stelle ich mir utopisch vor und die produzierten Ergebnisse sind für Anfänger nur frustrierend. Anschließend werden die Proportionen des Kopfes und Gesichts erklärt, was ich gut finde. Weiter geht es mit Schritt-für-Schritt-Anleitungen der für ein Gesicht wesentlichen Einzelteile: Augen, Nase, Mund, Ohren. Während bei den Augen noch darauf hingewiesen wird, dass sie sich im Laufe des Lebens verändern, wird diese Aussage für die anderen Teile nicht gemacht. Leider wird auch hier wieder nicht darauf eingegangen in welcher Weise sich die Augen verändern. Aus vier gegenübergestellten Augenpaaren unterschiedlichen Alters muss sich der Leser die Unterschiede hier selbst erarbeiten/erkennen. Für die Zeichnungen der Einzelteile ist jeweils ein Bild mit einem minimalen Text pro Schritt gezeigt. Ohne weiteres Vorwissen werde ich hier nur in die Lage versetzt, genau dieser Anleitung zu folgen (sie also nur zu kopieren), ohne damit Eigenes erschaffen zu können. Beispiel: Schritt 3 und 4 beim Auge in Frontalansicht. Der Augapfel wird von Ober- und Unterlid umschlossen. und Definiere die äußeren Konturen von Ober- und Unterlid. In beiden Fällen kann ich nur das vorhandene Bild kopieren, verstehe aber nicht worauf es genau ankommt...wie diese Formen zustande kommen. In Schritt 10 nach der ganzen Schattierung heißt es noch: Ganz zuletzt fügst du noch die oberen und unteren Wimpern hinzu. Achte auf deren Richtung. Dann ist die Zeichnung fertig. Also auch hier wieder nur abgucken und kopieren. Ein Satz wie: Der Augapfel ist etwa eine Kugel, also liegen die Augenlider oben auf dieser Kugel auf und auch die Wimpern folgen dieser Wölbung. hätte schon viel für das eigene Vorstellungsvermögen und die Verständlichkeit getan. Das anatomische Grundwissen erklärt z.B. David Finch in seinem (englisch sprachigen) YouTube-Tutorial https://www.youtube.com/watch?v=PyPWtIFIzbk&ab_channel=DavidFinch sehr schön. Anders als in diesem Buch geht er auch auf den Schädel ein und zeigt, wie die Augen in ihren Höhlen sitzen, wie die Augenhöhle überhaupt geformt ist, wo die Augenbrauen sitzen und wie sich das alles in Perspektiveänderungen verhält. Im Kapitel Das Porträt geht es ähnlich weiter...man soll sich Hilfslinien ziehen, die Grundformen darauf platzieren und dann wird mit 4 bis 5 Seiten der Schattierungsfortschritt gezeigt. Hier werden Haare/Frisuren einfach gezeichnet ohne weitere Erwähnung, worauf zu achten ist. Etwa ein Drittel des Buches befasst sich mit Modern Drawing, welches schlichtweg nichts anderes ist als statt eines Bleistifts mal einen Kugelschreiber oder farbige Fineliner für das Crosshatching zu benutzen. Das tut dem Ganzen hier keinen Abbruch, aber verschenkt Platz für wirklich wichtige Erklärungen im Voraus. Positiv möchte ich aber die Erwähnung von verschieden farbigen Zeichengründen erwähnen. Damit lassen sich sehr interessante Effekte erzielen. Alles in allem weiß ich nicht so recht, inwiefern dieses Buch wirklich hilfreich ist. Für blutige Anfänger ist es definitiv nichts. Aber je fortgeschrittener man ist, desto mehr hat man sich ohnehin schon mit diesen Themen beschäftigt und in den Weiten des Internets hervorragende kostenfreie Anleitungen von Profis für traditionelle wie digitale Kunst gefunden. Die Zeichnungen der Autorin sind allesamt sehr schön, detaillreich und stimmig. Nur leider wird ihr Wissen meiner Meinung nach nicht ausreichend an den Leser vermittelt.