Herz und Krone im Goldenen Zeitalter
Exklusiv-Interview mit Rebecca Gablé
IHREM RENOMMEE als Königin des historischen Romans macht Rebecca Gablé ein weiteres Mal alle Ehre. Zur Freude vieler Leser knüpft sie an ihre Waringham-Saga an. Alles begann mit dem opulenten Mittelalter-Roman Das Lächeln der Fortuna, mit dem die Autorin ihr Glück machte. Kein Wunder, denn sie lässt Geschichte filmreif, farbenprächtig und fesselnd lebendig werden - inzwischen über 200 Jahre Familiengeschichte der Waringhams. Nun steuert sie mit den jüngsten Nachkommen neue Ufer an: Der Palast der Meere führt in Englands "Goldenes Zeitalter" anno 1560 und die Ära abenteuerlicher Entdeckungsreisen.
Für "Der Palast der Meere" waren Sie wieder auf Recherche in England - trotz off ensichtlicher Abneigung gegen den Linksverkehr...
Was heißt hier "Abneigung gegen Linksverkehr..."? "Totale Unfähigkeit" trifft eher zu. Aber zum Glück für die britische Verkehrssicherheit musste ja nicht ich fahren, sondern mein Mann hat das übernommen. Unterwegs waren wir dieses Mal vor allem in Devon, der Heimat so berühmter Seefahrer wie Francis Drake.
Und Sie selbst sind ebenfalls in See gestochen...
Ja, wir haben eine Woche auf einem Segelboot verbracht, weil die See und das Fahren unter Segeln eine wichtige Rolle im Roman spielen. Dieser aufopferungsvolle Selbstversuch fand allerdings nicht in England statt, sondern in unserer spanischen Zweitheimat. Deshalb war es nicht ganz so kalt und nass und entbehrungsreich wie bei Isaac of Waringham.
Ihre Reiselust kann nicht der einzige Grund sein, dass Sie Ihre Waringham- Saga fortgeschrieben haben. Was macht Ihnen solche Freude daran?
Ich lebe jetzt seit über 20 Jahren mit den Waringhams. Es ist wie mit guten Freunden: Wenn ich eine Zeitlang nichts von ihnen gehört habe, bekomme ich Sehnsucht. Dann muss ich einen neuen Roman über sie schreiben, um zu erfahren, wie es ihnen geht.
Wofür steht der Name Waringham?
Wohl vor allem für Pferdeverstand, Loyalität, einen oft unvernünftigen Hang zur Aufrichtigkeit und mangelnde Seetüchtigkeit. Was die Familie zusammenhält, sind Traditionsbewusstsein und Großzügigkeit. Manche Waringhams können sich vielleicht nicht besonders gut leiden oder haben Konfl ikte miteinander, aber sie stehen im Bedarfsfall trotzdem füreinander ein.
In "Der Palast der Meere" versetzen Sie uns Leser mit einer neuen Generation der Waringhams in eine Epoche, die als "Goldenes Zeitalter" und "Elizabethanisches Zeitalter" in die Geschichte eingegangen ist. Was macht für Sie die Faszination dieser Ära aus?
Dass vieles, was die Zeit prägte, völlig neu war. Eine erste Globalisierung: Politische Konflikte ebenso wie Handelsrouten waren nicht mehr allein auf Europa beschränkt, sondern umspannten den ganzen Erdball. Eine allein regierende Königin: Elizabeth wollte keinen Mann an ihrer Seite, sondern die Macht allein ausüben, was sie ja mit großem Erfolg getan hat. Und natürlich eine neue kulturelle Blüte, die William Shakespeare hervorgebracht hat.
Das elizabethanische Zeitalter beschert eine Fülle an historischem Stoff und Helden. Welches Leitmotiv ist Ihnen für Ihren Roman wichtig geworden?
Ich glaube, die Figuren und ihre Biografi en sind zu unterschiedlich für ein einziges, alles umspannendes Leitmotiv. Aber das Streben nach neuen Ufern in jedem denkbaren Sinne war vielleicht doch für die gesamte Epoche prägend. Dazu passt das berühmte Gebet von Francis Drake besonders gut: "Rüttle uns auf, oh Herr, wenn unsere Träume wahr geworden sind, weil wir zu bescheiden geträumt haben, wenn wir sicher ankommen, weil wir zu nah der Küste gesegelt sind."
Die zentrale historische Gestalt in Ihrem Roman ist Königin Elizabeth I. Welche Vorstellung haben Sie von ihr gewonnen?
Ihre Wutausbrüche waren gefürchtet, sie neigte auch durchaus zu Tätlichkeiten. Oft war sie beratungsresistent und wankelmütig. Aber sie war hochintelligent und gebildet. Und das Wohlergehen ihrer Untertanen war tatsächlich ihr größtes Anliegen - eine Eigenschaft, die sie von den meisten ihrer männlichen Vorgänger unterscheidet. Elizabeth ist mir mehr ans Herz gewachsen, als ich anfangs für möglich gehalten hätte.
Keineswegs ins Herz geschlossen haben Sie Heinrich VIII., für Sie ein "fürchterlicher Charakter". So drastische Urteile hört man von Ihnen eher selten. Wie würden Sie Ihre Sicht auf historische Gestalten beschreiben?
Ich glaube, jede historische Persönlichkeit bekommt bei mir eine faire Chance - und zwar auf der Basis einer gründlichen und umfassenden Recherche. Bei der Darstellung verändere ich niemals die bekannten Fakten. Darum behaupte ich ganz unbescheiden, dass meine Figuren ihren realen Vorbildern ziemlich ähnlich sind..
Elizabeth I. ist die Tochter von Heinrich VIII. Welche Auswirkungen hat das auf ihre Persönlichkeit und auf ihre Regierungszeit?
Sie hat ein paar seiner abscheulichen Eigenschaften geerbt, etwa den Jähzorn. Aber die folgenschwerste Auswirkung ihres Erbes war wohl diese: Der enorme Verschleiß ihres Vaters an Ehefrauen und insbesondere das Schicksal von Anne Boleyn - Elizabeths Mutter - waren ausschlaggebend dafür, dass Elizabeth sich geweigert hat zu heiraten. So groß war das Trauma, dass die sonst so pflichtbewusste Königin in diesem wichtigen Punkt versagt und dem Haus Tudor keinen Erben gegeben hat.
Der Königin stellen Sie als engste Vertraute Eleanor of Waringham an die Seite. Wie deuten Sie ihre Rolle?
Eleanor wirkt im Hintergrund, aber sie übt große Macht aus, weil sie das uneingeschränkte Vertrauen der Herrschenden genießt. Das ist eine typische Waringham-Rolle, die aber in vergangenen Romanen eben immer von Männern übernommen wurde. Im elizabethanischen England verschoben sich jedoch hier und da die traditionellen Geschlechterrollen. Darum wollte ich für Eleanor etwas anderes als die klassische Funktion der Hofdame. Das war mir zu zahm. So habe ich Eleanor zur Meisterspionin gemacht. Genau wie die Königin muss sie sich in einer Männerdomäne behaupten und gewinnt dadurch genug Selbstvertrauen und Unabhängigkeit, um auf ziemlich skandalöse Weise gegen gesellschaftliche Konventionen zu verstoßen.
Eine der schillerndsten Romanfiguren ist Isaac of Waringham, der auf den ersten Blick wie das schwarze Schaf der Familie wirkt. Was steckt tatsächlich in ihm?
Er ist ein schwarzes Schaf, denn er verweigert sich der Familientradition. Isaac ist ein Schelm, ein Draufgänger und ein Abenteurer. Aber er hat das Herz am rechten Fleck - und seine Piraterie hat so einen ganz kleinen Robin-Hood-Einschlag, was ihn von der Mehrheit seiner historischen Freibeuter- Kollegen unterscheidet.
Der Schluss Ihres Romans lässt fast vermuten, dass Sie eine romantische Ader haben...
Ich glaube daran, dass Geschichten ein gutes Ende haben sollten, gerade weil das wahre Leben uns oft kein Happy-End beschert. Menschen greifen ja auch oft zum Buch, wenn sie eine kleine Auszeit von einer schwierigen Lebenssituation suchen - und diese Leserinnen und Leser sollen sich bei mir sicher fühlen: Es passieren schreckliche Dinge in meinen Romanen, aber am Ende wird alles gut. Ich habe allerdings eine Aversion gegen Kitsch. Das perfekte Happy-End ist für mich eines, wo ich das Buch mit einem zufriedenen Stoßseufzer zuklappe, aber unaufhörlich darüber nachdenke, was mit den Figuren als nächstes geschieht. Ein paar Fragen sollten unbedingt offen bleiben.