Ein Buch, das wehtut ¿ und genau deshalb wichtig ist
"Please Unfollow" ist ein Buch, das einen nicht einfach nur emotional berührt - es packt einen an den Schultern, schüttelt, hält inne, und legt die Hand direkt aufs Herz. Schon nach wenigen Kapiteln hatte ich das Gefühl, etwas zu lesen, das weit über eine fiktive Geschichte hinausgeht. Basma Hallack hat ein Thema gewählt, das längst hätte laut ausgesprochen werden müssen - und sie tut es mit einer Wucht, die man so schnell nicht vergisst.Der Schreibstil ist wunderschön klar: sanft, wenn es um Sherrys verletzliche Momente geht, eindringlich, wenn die Realität zuschlägt, und zugleich so warm, dass man immer weiterliest, obwohl einem manchmal wirklich der Atem stockt. Ich fand es beeindruckend, wie die Autorin es schafft, gleichzeitig empathisch und kompromisslos ehrlich zu schreiben. Diese Mischung lässt einen durch die Seiten gleiten und trotzdem jede Szene tief fühlen.Sherrys Geschichte hat mich getroffen. Ihre Sehnsucht nach normaler Liebe, nach Alltag, nach Privatsphäre - all das wirkt so echt, so greifbar. Man fragt sich beim Lesen ständig, wie ein Kind in einem Umfeld überleben soll, das es zur Marke macht. Zur Show. Zum Produkt. Die Rückblenden auf die Videos ihrer Eltern sind teilweise schwer auszuhalten, gerade weil sie so authentisch wirken. Genau solche Inhalte existieren da draußen, und viele davon werden gefeiert, geklickt, kommentiert. Es ist erschreckend, wie nah die Fiktion hier an der Realität liegt.Was mich besonders berührt hat, war Sherrys Weg im Camp. Zum ersten Mal begegnet sie Menschen, die sie nicht als Content sehen, sondern als Mensch. Die ihr zuhören. Die sie ernst nehmen. Die sie auffangen, wenn sie bricht - und gleichzeitig über ihren eigenen Chaoskopf stolpern, weil sie eben selbst Jugendliche sind. Ihre kleine Gruppe wächst einem sofort ans Herz. Die Gespräche, die Witze, die liebevolle Albernheit, aber auch die schweren, ehrlichen Momente - das alles schafft ein Gefühl von Zugehörigkeit, das Sherry ihr Leben lang vermisst hat.Dass ihre Eltern ihr weiterhin nachstellen, war für mich der härteste Teil. Nicht aus Sorge, nicht aus Liebe - sondern aus Besitzdenken. Diese kalte Logik, dass Reichweite wichtiger ist als das Wohl des eigenen Kindes, hat mich beim Lesen wütend gemacht. Und gleichzeitig wusste ich: Genau so passiert es leider. Viel zu oft.Als endlich klar wird, was Sherry getan hat, bevor sie im Camp gelandet ist, hat es mir das Herz zusammengedrückt. Kein "Schockmoment", sondern ein schmerzlich nachvollziehbarer Hilferuf. Umso stärker fand ich, dass sie am Ende die Kraft findet, sich selbst zu schützen - mit klaren Grenzen, mit einer Anzeige, mit dem Wunsch nach einem Neuanfang. Das war nicht nur mutig, sondern absolut notwendig.Das Schlussbild ... ich habe wirklich schlucken müssen. Es ist ein ruhiger, warmer Moment, der zeigt, dass Heilung möglich ist, wenn man endlich Menschen um sich hat, die einen sehen - wirklich sehen.Für mich ist "Please Unfollow" ein enorm wichtiges Buch. Eines, das zeigt, was digitale Selbstinszenierung Kindern antun kann. Eines, das darüber spricht, was Schweigen und Wegsehen anrichtet. Und eines, das ich am liebsten jedem in die Hand drücken würde, der sich online mit dem Leben seiner Kinder profiliert.Ich bin dankbar, dass dieses Buch existiert. Und ich hoffe, dass es genau die Leser*innen erreicht, die es am dringendsten brauchen.