Besprechung vom 18.02.2021
Formvollendeter Brutalismus
Ach! Offenbach? Ja, die Stadt gibt es, wenngleich Frankfurter alles dafür tun, den Namen aus ihrem Wortschatz fernzuhalten. Von Besuchen gar nicht erst zu reden. Wozu? Keinem Frankfurter fiele auch nur ein einziger Grund ein, dort vorbeizuschauen. Oder einer vielleicht: der Lili-Tempel, der an die Liebeständelei zwischen Goethe und Anna Elisabeth "Lili" Schönemann erinnert. Aber dann ist Goethe geflohen - und gleich bis in die Schweiz. Wer in Frankfurt Kinder hat, kommt außerdem um Besuche im Kletterpark nicht herum. Zwei Gründe also doch, die für Offenbach sprechen mögen. Bleiben einhundertundneun Fragwürdigkeiten in Anna Köhlers Liste von Orten der Stadt, die man angeblich gesehen haben muss - darunter sogar das Rathaus, dem sie die alles sagende Kapitelüberschrift verpasst: "Formvollendeter Brutalismus" - eine Formulierung, die einem bei der Lektüre des Büchleins nicht mehr aus dem Kopf geht. Es sind mitunter bizarre Sehenswürdigkeiten, die Anna Köhler - "der Liebe wegen" nach Offenbach gezogen - vorstellt: ein halbes Denkmal; ein Steintisch, der seit zweihundert Jahren im Wald steht, ohne dass jemand wüsste, weshalb; ein Ein-Mann-Bunker unter der Erde, für alle, die sich verkriechen möchten. Natürlich verweist sie auch auf das neue, schicke, hippe Hafenviertel und hebt dort in einem eigenen Beitrag den Blauen Kran hervor: Von ihm aus kann man Frankfurts Skyline sehen!
F.L.
"111 Orte in Offenbach, die man gesehen haben muss" von Anna Köhler. Emons Verlag, Köln 2020. 240 Seiten, zahlreiche Fotos. Broschiert
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