Mini hat Hunger. Sie schaut in den Kühlschrank. Der Kühlschrank ist leer.Mini schaut in ihre Geldbörse. Auch die Geldbörse ist leer."Es ist Zeit, dass ich ein Buch schreibe", denkt Mini. "Das bringt Geld. Und ich brauche Geld. Sonst verhungere ich."Miki kommt rein. Er hört, was Mini denkt. "Du kannst keine Bücher schreiben Mini. Such dir lieber eine richtige Arbeit."Mini schüttelt den Kopf. "Warum denn?"Auch Miki schüttelt dem Kopf. "Ich habe deine Bücher gelesen."Mini staunt: "Alle vier?"Miki nickt. "Alle vier. So dick sind sie nicht."Auch Mini nickt. "Ja. Du kannst 200 Seiten für 25 Euro verkaufen. Aber nicht 400 Seiten für 50 Euro. Oder 800 Seiten für 100 Euro."Miki schüttelt wieder den Kopf. "Ja. Aber was ich meine: Du bist nicht in der Lage, richtige Bücher zu schreiben, Mini. Du weißt nicht, wie man einen Plot entwirft und gestaltet. Deine Figuren sind alle du selbst - auch die Männer. Deine Dialoge sind hölzern und albern - und nicht im guten Sinne. Dein Wortschatz ist der eines Kleinkindes. Dein Humor auch. Deine Themen sind läppisch. Deine Konflikte sind banal. Deine Einfälle sind einfallslos, und du kannst mit ihnen nichts anfangen. Denn du bist faul. Faul und schlampig. Schlampig und schludrig. Es tut mir leid, Mini."Mini staunt. "Aber ich habe Preise bekommen für meine Bücher. Mehr Preise als Bücher!"Miki staunt nicht: "Das sind Trost-Preise, Mini. Die Leute, die dir die Preise geben, die wissen inzwischen alle, dass du nicht schreiben kannst. Sie wissen es besser als ich. Sie finden dich aber nett - wie ich. Sie finden es rührend, dass du immer weiter schreibst, obwohl mit jedem Buch klarer wird, dass du es nicht kannst. Daher versuchen sie dir zu helfen und geben dir Preise. Von dem Geld kannst du leben - nicht gut, aber immerhin. Anfangs dachten manche wohl wirklich, dass du Talent hast. ¿Geben wir ihr ein, zwei Preise¿, sagten sie sich. ¿Sie wird noch lernen. Sie wird besser werden. Und ehe sie verhungert ...¿ Aber deine Bücher wurden schlechter, nicht besser. Was tun die Leute, die dir Preise geben? Sie könnten sagen: ¿Okay, wir lagen falsch. Shit happens! Soll nicht wieder vorkommen!¿ Aber was sie wirklich sagen, ist: ¿Das ist toll! Mini erzählt stilsicher und mit bewussten Stilbrüchen einen Comic in Prosa. Geben wir ihr noch mehr Preise!¿ Und viele kaufen die Bücher, weil sie denken, dass sie gut sind. Warum sonst sollten sie sie Preise bekommen? Wenn sie sie bezahlt und gelesen haben, ist es zu spät."Mini verkneift sich die Tränen. "Das sagst du zu mir? Du liebst mich nicht!"Auch Miki weint fast: "Weil ich dich liebe, sage ich dir das. Allen anderen bist du egal. Daher lügen sie dich an. Und die Leser. Und oft sich selbst.""Das glaube ich nicht, Miki.""Mach was du willst, Mini. Und nenn mich nicht Miki! Das ist besonders albern."Miki geht. Mini denkt nach. "Ach, was soll's!", sagt sie sich, und fängt an zu schreiben. Sie schreibt. Sie schreibt das auf, was ihr gerade so durch den Kopf geht. Das von ihr, Mini, und das von ihm, Miki. Was sie eben so machen. Gemacht haben. Oder machen könnten. Dann geht ihr noch mehr durch den Kopf. Von ihrer Familie. Von Filmen, die sie mag. Von Filmen, die sie nicht mag. Von Geschichten, die sie gehört und gelesen hat. Sie schreibt sie auf. In ihren Worten. Ihren wenigen Worten. Irgendwann interessiert sie das eine nicht mehr. Es geht ihr etwas anderes durch den Kopf. Also hört sie mit dem einen auf und fängt mit dem anderen an. Und so fort. Immer, wenn ihr etwas Neues durch den Kopf geht, schreibt sie eine Ziffer davor. Von 1 bis 26. Dann geht ihr das Papier aus.Mini überlegt. Sie zählt die Seiten. "Fast 200. Das reicht."Mini geht zum Verlag. Ihre Lektorin seufzt und schlägt die Hände vors Gesicht. Sie wünscht, sie könnte sich in ein Monster verwandeln, dass Autorinnen verschlingt anstelle von deren Texten. Kann sie aber nicht.Der Verleger zuckt die Schultern. "Vielleicht wird es in Leipzig was."Es wird was in Leipzig. Mini bekommt noch einen Preis. Und noch einen.Sie freut sich. "Miki wird staunen."Miki staunt. Vielleicht, denkt er, sollte ich auch Bücher schreiben?