Von Voskuil hatte ich schon die bekannte Büro-Reihe, die in den Niederlanden ein enormer Erfolg war, komplett gelesen. Die Nachbarn hat mit dieser Reihe nichts zu tun. Zwar tauchen hin und wieder einzelne bekannte Charaktere aus ihr auf oder sie werden kurz erwähnt, letztlich geht es hier aber ausschließlich um Maarten (Voskuils Alter Ego) und Nicolien Konings Verhältnis zu zwei neu in ihrem Haus eingezogenen Nachbarn, Peer und Petrus, einem schrulligen, sehr unterschiedlichen Paar mit noch dazu deutlichem Altersunterschied.
Maarten, der sich im Umgang mit anderen Menschen schon immer schwer tut, findet auch mit den neuen Nachbarn keine gemeinsame Wellenlänge. Vieles an Peers und Petrus Verhalten befremdet ihn. Umso begeisterter von ihnen ist dagegen Nicolien, die Peer und Petrus schon alleine wegen ihres offenen Zusammenlebens als gesellschaftlich benachteiligt ansieht. Maarten kann dies nicht nachvollziehen, was in der Folge zu ständigen Streitereien zwischen den Eheleuten führt. Oft geht es nur um vermeintliche Kleinigkeiten, doch selbst bei kleinsten Meinungsverschiedenheiten oder z.B. Maartens Wortwahl zeigt sich Nicolien immens unnachgiebig und bricht quasi aus dem Nichts den nächsten Streit vom Zaun.
All dies nimmt einen Großteil des Buches ein und hier hätte ich mir an manchen Stellen schon eine etwas straffere Erzählweise gewünscht. Im zweiten Teil des Buchs kippt dann nach und nach die Stimmung. Auch aus Nicoliens Sicht läuft nicht mehr alles reibungslos mit Peer und Petrus und es fällt ihr zunehmend schwer, ihre positive Grundhaltung den beiden Männern gegenüber aufrechtzuerhalten.
Die Nachbarn wurde von Voskuil im Jahr 2001 fertiggestellt, doch seine Ehefrau sprach sich zunächst gegen eine Veröffentlichung aus, vor allem aus Sorge, einer der Protagonisten könnte sich wiedererkennen. Erst nach dessen Tod im Jahr 2011 (und damit 3 Jahre nach Voskuils Tod) stimmte sie der Veröffentlichung des Romans zu.
Auch wenn es ein eigenständiges, abgeschlossenes Buch ist, empfiehlt es sich meines Erachtens, wenn man Das Büro bzw. zumindest einen Teil davon schon gelesen hat. Die Charaktere Maarten und Nicolien sind einem dann vertrauter und man kann ihr Handeln und ihre Schwierigkeiten sowohl miteinander als auch mit Peer und Petrus besser nachvollziehen. Verglichen mit der Büro-Reihe ist Die Nachbarn eine eher ruhige Erzählung, viel spielt sich im Haus und im privaten Umfeld ab, mit der Außenwelt und anderen Personen gibt es abgesehen von ein paar Ausflügen und Einkaufsgängen nur wenig Berührungspunkte. Dennoch hat mir das Lesen Freude gemacht, insbesondere weil ich den knappen, präzisen Schreibstil Voskuils liebe. Für Fans von Voskuil ist das Buch ohnehin ein Pflichtkauf.