Gabriele Hoffmann, Harry & Pooh 2007/2008
"Was für ein Buch! Einerseits ist es schade, dass es als Jugendbuch erscheint, denn es wäre sicher auch bei den so genannten belletristischen Titeln wegen seiner hervorragenden literarischen Qualität gut aufgehoben. Andererseits können sich Jugendliche glücklich schätzen, wenn sie solch ein Buch finden. Überall ist von Sprachkompetenz die Rede, und davon, dass sie bei jungen Leuten gefördert werden soll. Aber viele Autoren, die für Jugendliche schreiben, bedienen lediglich ein vordergründiges Bedürfnis nach Spannung und fantastischen Abenteuern. Anders Mirjam Pressler. Sie erfüllt mit diesem meisterlich erzählten Roman alle Wünsche, die man an sinnvolle Lektüre stellen kann: Ihre Sprache ist klar und konzentiert sich an entscheidenden Stellen zu einer eindrucksvollen Schlichtheit. Gleichzeitig, oder vielleicht gerade deshalb verdichten sich Sprachräume zur Poesie und versetzen die Leser in eine Atemlosigkeit, die nicht allein aus der Handlung resultiert, sondern daraus, wie Worte zu Sätzen gefügt werden. In diesem Buch kann man hautnah miterleben, wie sich die Menschen in der Prager Judenstadt um 1600 gefühlt haben, wie sie mit der ständigen Lebensbedrohung durch die von Ketzern aufgestachelten Mörderbanden umgegangen sind und zu überleben versuchten. Die Gefahr war so groß, dass ihr Wunsch, eine sichere Verteidigungswaffe zu besitzen, mehr als verständlich ist. Der sagenumwobene Rabbi Löw hat dieses Bedürfnis mit der Schaffung des Golem, einer magischen Figur, die die Kraft hat, jeden Angreifer zu besiegen, befriedigt. Das Alltagsleben, von dem Mirjam Pressler mit viel Sachkenntnis erzählt, wird mit diesem ""Schutzschild"" möglich, und die Menschen erfreuen sich zunächst einer scheinbaren Sicherheit. Aber wirklichen Frieden gibt es auf dieser Welt letztlich nicht, und die Auseinandersetzungen des weisen Rabbi mit seinem Allmächtigen, an denen die Autorin ihre Leser teilhaben lässt, vermitteln, wie klug Menschen sein können und trotzdem hilflos den Herausforderungen des Lebens ausgeliefert sind. Wie schrecklich war und ist die Erfahrung, wenn die Verteidigungswaffe sich umkehrt und ihren Auftraggeber angreift, und wie unfasslich, dass nur ein einziger Buchstabe darüber entscheidet, ob das Gute oder das Böse zum Tragen kommt. ""Elohim emet"" heißt ""Gott ist wahr"", aber ""Elohim met"" heißt ""Gott ist tot"" - ein Buchstabe, der fehlt, und alles verkehrt sich ins Gegenteil. So bedeutsam ist Sprache, so wichtig kann ein Wort, ja ein Buchstabe sein. Mirjam Pressler hat ein Buch geschrieben, das beweist, wie notwendig es ist, Sprache mit größter Sorgfalt zu verwenden."