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"Einige Herren sagten etwas dazu"

Die Autorinnen der Gruppe 47

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Nicole Seifert erzählt die Geschichte der Gruppe 47 aus einer neuen Perspektive: der der Frauen. Ihr Ergebnis kommt einer Sensation gleich. »Einige Herren sagten etwas dazu« macht es zwingend, die deutsche Gegenwartsliteratur neu zu denken, die literarische Landschaft neu zu ordnen.

Es waren viel mehr Autorinnen bei den berühmt-berüchtigten Treffen der Gruppe 47 als Ingeborg Bachmann und Ilse Aichinger, aber sie sind in Vergessenheit geraten, sie fielen aus der Geschichte heraus - wie sich nun herausstellt, hatte man ihnen oftmals gar nicht erst Zutritt gewährt. Und wurden sie miterzählt, dann nicht als Autorinnen ihrer Texte, sondern als begehrenswerte Körper oder als tragische Wesen. Nicole Seifert erzählt von den Erfahrungen der Autorinnen bei der Gruppe 47, von ihrem Leben in den Fünfziger- und Sechzigerjahren in der BRD und von ihren Werken.

Ein kluges, augenöffnendes Buch, das sofort große Lektürelust entfacht. Schriftstellerinnen wie Gisela Elsner und Gabriele Wohmann müssen neu gelesen, Schriftstellerinnen wie Ruth Rehmann, Helga M. Novak und Barbara König neu entdeckt werden. Ein ganz neuer Blick auf die Gruppe 47 und die Nachkriegsliteratur, der uns bis in die Gegenwart führt.

Produktdetails

Erscheinungsdatum
08. Februar 2024
Sprache
deutsch
Auflage
2. Auflage
Seitenanzahl
352
Autor/Autorin
Nicole Seifert
Verlag/Hersteller
Produktart
gebunden
Abbildungen
20 s/w-Abbildungen
Gewicht
522 g
Größe (L/B/H)
213/147/36 mm
ISBN
9783462003536

Portrait

Nicole Seifert

Nicole Seifert


ist promovierte Literaturwissenschaftlerin und gelernte Verlagsbuchhändlerin und arbeitet als Übersetzerin und Autorin. Ihr Buch »FrauenLiteratur. Abgewertet, vergessen, wiederentdeckt« erschien 2021 und löste eine Debatte über weibliches Schreiben aus. Nicole Seifert ist Mitherausgeberin der Reihe »rororo Entdeckungen«, in der Romane unbekannter Autorinnen des 20. Jahrhunderts (wieder)veröffentlicht werden.


Pressestimmen

»Dieses Buch legt den Finger in die richtige Wunde.« Christoph Ohrem, WDR 5

»Nach der Lektüre von Seiferts Buch hat man das dringende Bedürfnis, die Bücher von Böll, Grass & Co. im Regal stehenzulassen und stattdessen die Werke jener Frauen zu entdecken.« Anne Burgmer, Kölner Stadtanzeiger

»In Einige Herren sagten etwas dazu erzählt Nicole Seifert fesselnd und sarkastisch die Geschichte der Autorinnen, die an den berühmten Literaturtreffen teilnahmen und vom männlichen Blick auf sie.« Anne-Catherine Simon, Die Presse

»ein großartiges Buch»»Nicole Seifert hat mit sehr viel Material und geradezu trotziger Gelassenheit eine Kulturgeschichte geschrieben, die vielleicht deutscher nicht sein könnte. Die Gruppe 47, der Think-Tank der Literatur, hat ganz systematisch Karrieren versenkt, hat weibliche Störenfriede aus seiner patriarchalen Traumwelt verbannt.« Paul Jandl, NZZ

»Nicole Seiferts Verdienst liegt nicht in der aufwendigen Recherche in Archiven, sondern in der starken Perpektivierung des Materials. Dabei arbeitet sie anschaulich die fatale Mischung aus Überhöhung und Herabwürdigung heraus, die mit dazu beitrug, dass die wenigen Schriftstellerinnen, die überhaupt einen Bezug zur Gruppe 47 hatten, kaum Kapital daraus schlagen konnten, weder symbolisches noch pekuniäres.« Meike Feßmann, Deutschlandfunk Büchermarkt

»Man kann das Buch auch als Empfehlung verstehen, nicht immer nur Grass, Walser, Böll aus jener Zeit zu lesen, sondern eben auch mal Bücher von Christa Reinig, Ingeborg Drewitz oder Barbara Frischmuth.« Gerrit Bartels, rbb Kultur

»Keine Darstellung wurde bisher den Frauen und ihren Werken gerecht, insofern leistet Seifert, die ihrerseits die Herren Böll, Johnson, Enzensberger & Co. nicht ausspart, hier Pionierarbeit.« Tobias Schwartz, Berliner Morgenpost

» Die Autorinnen der Gruppe 47 fügt dem Bild der Gruppe 47 Facetten hinzu, die bislang fehlten und liest sich in Teilen wie das Projekt einer unterhaltsamen feministischen Literaturgeschichte, voller skurriler Anekdoten über sexistische Entgleisungen und Ausführungen zur Frage, warum Literatur von Schriftstellerinnen oft vor allem biografisch gelesen wird.« Mara Delius, Welt am Sonntag

»Nicole Seifert deckt die Mechanismen, die hinter dem Übergehen, Verwerfen und Missverstehen stecken, nüchtern und anschaulich auf.« Ulrich Rüdenauer, MDR Kultur

Besprechung vom 26.06.2024

Der bessere Teil der deutschen Nachkriegsliteratur
Achtung, diese Frauen schreiben uns an die Wand: Nicole Seifert rehabilitiert die vergessenen Autorinnen der Gruppe 47

Über die Gruppe 47 schien wissenschaftspublizistisch alles gesagt, nachdem 2016 Jörg Magenau mit "Princeton 66" in einem Abgesang das Feld von hinten aufgerollt hatte. Oder fehlt da was? Ja, sagt Nicole Seifert in ihrem Buch "Einige Herren sagten etwas dazu": die Autorinnen! Die Gruppe 47 ist ihr Bohrkern für eine überzeugende Analyse des misogynen und sexistischen Literatursystems im zwanzigsten Jahrhundert, das bis in die Gegenwart reicht. Doch das ist nicht das einzige spektakuläre Ergebnis.

Die zuvor gängige Benachteiligung von Autorinnen sollte in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts nicht mehr gelten, da Autorinnen in steigender Frequenz und mit steigendem Selbstbewusstsein publizierten. Dennoch entfielen im Lesekanon deutscher Gymnasien auch für diesen Zeitraum nur etwa zehn Prozent auf Autorinnentexte. Die Gründe dafür führen direkt zur Gruppe 47.

Zu deren Eintrittskarten gehörten die Kriegsteilnahme und deren Verklärung als Zwang oder Verführung. Einen regelrechten "linken Corpsgeist" wollte der absolutistisch über die Gruppeneinladungen herrschende Hans Werner Richter erzeugen, und so blieben Exilautoren als "Vaterlandsverräter" bis zum Schluss von den Treffen ausgeschlossen. Auch alliierte re-education verbat sich Richter, wie übrigens auch Wolfgang Borchert.

Die beredte "Rechtfertigungsprosa" (Johann Sonnleitner), mit der sich die Autoren - nicht nur die der Gruppe 47 - in Selbstmitleid ergingen und die sie mit ihrer (männlichen) Leserschaft verband, bedeutete ein grundsätzliches Ausschlusskriterium jener siebzehn von Seifert vorgestellten Autorinnen, die bei den Treffen der Gruppe 47 zwischen 1947 und 1967 ihre Texte vorlasen.

Nicht nur Ingeborg Bachmann fühlte sich 1958 "unter deutsche Nazis" gefallen, auch Ilse Aichinger, Tochter einer Jüdin, störte mit ihren Texten über die Opfer. Mit "Die größere Hoffnung" hatte sie 1947 den ersten Roman über KZs als Vernichtungslager der NS-Rassenpolitik verfasst. Ähnlich Ingeborg Drewitz, die 1955 "eins der ersten Theaterstücke, die sich mit der Judenvernichtung und den Konzentrationslagern befassten", schrieb.

Autorin für Autorin zeigt Seifert, dass deren Texte systematisch jene Auseinandersetzung mit dem Mitläufertum während der NS-Zeit und dem daraus resultierenden anhaltenden Antisemitismus in Deutschland und Österreich lieferten, die die Autoren verweigerten - ein Thema, das Richter bis zum Ende seines Lebens bagatellisieren sollte. Damit steht Ingeborg Bachmanns Verbindung von Faschismus und patriarchalem Sexismus in ihrem einzigen fertiggestellten Roman, "Malina", plötzlich nicht mehr solitär, sondern eingebettet in ein gemeinsames Bewusstsein ihrer Zeitgenossinnen. Mit diesem Innovationsbeweis der Autorinnen fordert "Einige Männer sagten etwas dazu" geradezu zur Revision des Kanons der Nachkriegsliteratur auf.

Auch weil diese Inhalte den Konsens der Gruppenteilnehmer störten, wurde statt über die Literatur der Autorinnen über ihre Körper "verhandelt": von verbalen bis zu massiven körperlichen Übergriffen, als etwa Aichinger in ihrem Zimmer nicht nur Heinrich Böll auf dem Sofa, sondern einen weiteren Teilnehmer nackt in ihrem Bett vorfand. Systematisch wurden sie in Männerphantasien und Frauenrollen eingehegt. Beginnend mit Ilse Schneider-Lengyel, in deren Hütte am Bannwaldsee bei Füssen Richter die Gruppe für deren erstes Treffen 1947 einquartierte, von ihr durchfüttern ließ und Schneider-Lengyel dafür mit der vollständigen Ausstreichung als Autorin bedachte.

In der Furcht, dass die Frauen "uns an die Wand" schreiben (Günter Grass), wurde "Bachmann als hilfloses, schusseliges Frauchen" diminuiert, Barbara König als "rachsüchtiges Raubtier" dämonisiert, Gisela Elsner zu "Kleopatra", Helga M. Novak eine "schöne Frau aus der Fischfabrik" und Renate Rasp die "ungeratene Tochter" genannt. Vor diesem Hintergrund ist die Distanzierung fast aller Autorinnen vom "Latzhosen"-Feminismus ihrer Zeit nicht nur pragmatische Strategie gegenüber einer patriarchalen Literaturkritik, sondern zunehmend verzweifelter Versuch, das Augenmerk von ihrem Geschlecht auf die Literatur zu lenken.

Vergeblich. Ihre Texte wurden verdrängt, die Anekdoten überdauerten bis hinein in die teils hämischen Nachrufe. Kritik und Literaturgeschichtsschreibung machten sie zu Varianten der misogynen Kernerzählung von der Frau, die aufbegehrt und untergeht. Monolithisch blieben nur Bachmann und Aichinger, Letztere sakrosankt durch ihre Ehe mit Günter Eich. Die Umdeutung der Literatur auf den Körper musste übrigens auch ein Mann über sich ergehen lassen: Als Paul Celan 1952 die "Todesfuge" las, verweigerte Richter die Auseinandersetzung mit dem Gedicht, indem er dem Holocaust-Überlebenden den "Tonfall von Goebbels" vorwarf.

Obgleich Seifert viel bestehende Forschung kompiliert, ist ihre systematische Verbindung von Militarismus und Sexismus ebenso überraschend wie bestechend. Darüber hinaus liefert "Einige Herren sagten etwas dazu" eine Einführung ins Werk der siebzehn Autorinnen, die Lust darauf macht, die zu Unrecht Vergessenen wiederzuentdecken. Es ist damit das Buch der Stunde für alle, die sich den misogynen Ausschlusskriterien der Kanonisierung im zwanzigsten Jahrhundert und deren persistierenden Strukturen entgegenstellen wollen. Darüber hinaus gelingt Seifert das Kunststück, dem breiten Lesepublikum eine Literaturwissenschaft nahezubringen, die gesellschaftliche Prozesse direkt erfahrbar macht. TINA HARTMANN

Nicole Seifert: "Einige Herren sagten etwas dazu". Die Autorinnen der Gruppe 47.

Kiepenheuer & Witsch, Köln 2024. 352 S., geb.

© Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt.

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LovelyBooks-BewertungVon ingaburg am 13.07.2024
Spannend, umfassend recherchiert, schokierend Die Gruppe 47 ist mir noch aus meinem Germanistikstudium an der FU Berlin bekannt und tatsächlich konnte ich beim Sortieren meines "Klassikregals" noch einige wenige Schätze finden. Ingeborg Bachmann, Ilse Aichinger, Gabriele Wohmann und Ingeborg Drewitz, über die ich in der 90igern meine Magisterarbeit geschrieben habe. Lange ist es her!"Einige Herren sagten etwas dazu" von Nicole Seifert musste ich deshalb unbedingt lesen und ich möchte das Sachbuch hier allen Leseratten empfehle, auch allen, die nicht Germanistik studiert haben, denn Nicole Seifert hat ein Stück Literaturgeschichte geschrieben, sorgfältig recherchiert, verständlich geschrieben und beeindruckend in seiner Fülle.Die Gruppe 47 rund um ihren Organisator Hans Werner Richter war im Wesentlichen ein Männerclub und so wundert es nicht, dass es hauptsächlich die Romane der Männer sind, die man als Nachkriegsliteratur ansieht. Frauen waren laut Seifert schmückendes Beiwerk, Tanzpartnerinnen und Organisatorinnen. Ilse Schneider-Lengyel zum Beispiel, in deren Haus das Gründungstreffen der Gruppe stattfand, war akademisch ausgebildet und vielfach qualifiziert, doch ihre Gedichte wurden ohne inhaltliche Stellungnahme verrissen. Heinz Piontek schrieb zu ihrem 1953 veröffentlichten Gedichtband: "Ich habe von den sechzig magenverstimmenden Texten nur sechs gelesen. Und hinterher habe ich einen Kognak trinken müssen und gleich darauf noch einen." (S. 33)Andere Autorinnen wurden fast gänzlich auf ihr Äußeres reduziert, sodass sich die Herren wenig auf die Literatur konzentrieren konnten.  Elisabeth Plessen schreibt: "Frauen waren eigentlich Freiwild zu dieser Zeit. Sie hatten den Mund zu halten und mit ins Bett zu gehen, auch bei den gleichaltrigen Männern. Dagegen gab es keinen Aufstand." S. 233) Die Reaktionen der Autoren sind nicht wirklich überraschend und haben mich doch in dieser in dieser Dichte und Menge schockiert und sehr wütend gemacht. Nicole Seifert verdeutlicht in ihrem Sachbuch sehr ausführlich, wie Frauen und ihre Gedanken, Gedichte, und Romane abgewiesen und sexualisiert wurden.Große Leseempfehlung für dieses Buch, das zum kritischen Nachdenken darüber anregt, wie und von wem Literatur bewertet wird und wie das bis heute nachwirkt
LovelyBooks-BewertungVon FrancieNolan am 30.04.2024
Neben der Neuerzählung der Gruppe 47 liefert Seifert hiermit eine informative Geschichte zum Thema Frauen/Geschlechterverhältnis allgemein.