Besprechung vom 11.06.2023
NEUE REISEBÜCHER
Für die Tasche "Als Henry Preston Standish kopfüber in den Pazifischen Ozean fiel, ging am östlichen Horizont gerade die Sonne auf." Selten hat ein erster Satz so viel Sogwirkung entfacht wie dieser. Und dabei nimmt er bereits den Inhalt des Romans vorweg: Ein Börsenmakler, der sich - für die damalige Zeit höchst untypisch - eine Auszeit nimmt und ein Schiff besteigt, die Welt ein wenig erkundet und dabei gesundet, fällt durch eine Unachtsamkeit von Bord. Es dauert eine Weile, bis er in den warmen Wellen des Pazifik seine Umgangsformen und die Contenance verliert, aber es ist ein großes Lesevergnügen, den manchmal tragischen, dann kindischen und wieder existenziellen Einlassungen des Protagonisten zu folgen.
Der Autor ist der hierzulande weitgehend unbekannte Herbert Clyde Lewis, Sohn russisch-jüdischer Eltern, ein rastloser Reporter, Drehbuchautor für Hollywood, chronisch pleite und im Visier der McCarthy-Administration. 1937 wurde "Gentleman Overboard" erstmals veröffentlicht, aber das, was dort verhandelt wird, ist so zeitlos wie aktuell - und der Stil dieses Romans so betörend, dass er der beste denkbare Begleiter für einen Sommer am Meer ist. bali
Herbert Clyde Lewis: Gentleman über Bord. Mare Verlag, 28 Euro.
Für den Tisch Die Welle der Surfbücher scheint niemals abzuebben. Das neueste heißt "surf & travel" und ist ausdrücklich für Surferinnen - und damit das auch jeder versteht, stehen da kleingeschriebene Sätze wie "das herz dieses buches schlägt weiblich" und teilweise esoterisch angehauchte Sinnsprüche. Geschrieben hat es die Belgierin Veerle Helsen, eine Reise- und Architekturjournalistin, die während der Pandemie mit einem Fiat-Ducato-Wohnmobil an Strände in ganz Europa gefahren ist: nach Cornwall, Westflandern (ja, dort kann man surfen) und in die Bretagne, nach Kantabrien und ins Baskenland, in den Alentejo und (ohne Wohnmobil) nach Teneriffa. So entstand eine Mischung aus Surfbildband, Restaurant-, Hotel- und Campingführer - die besten Übernachtungsplätze, so lernt man, fand die Autorin mithilfe von Google-Maps-Luftbildern. Das "Weibliche" des Buches zeigt sich vor allem im Personal: Helsen trifft andere Surferinnen, eine Köchin, eine Künstlerin, eine Modedesignerin, eine Pensionsbetreiberin - und auch in den vielen nützlichen und überraschenden Tipps zu Strandbars, Cafés, Museen, Geschäften und Unterkünften spielen Frauen die Hauptrolle. asl.
Veerle Helsen: surf & travel - Roadtrips zu den besten Surf-Spots in Europa. Prestel 2023
© Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt.Es wurden noch keine Bewertungen abgegeben. Schreiben Sie die erste Bewertung zu "Surf & Travel" und helfen Sie damit anderen bei der Kaufentscheidung.