Darum geht es:
Kasimirs Weg ist gezeichnet von Angst und Unsicherheit, doch früher hoffte er, sein Klavierspiel würde ihm die Türen zu neuen Wegen öffnen. Aber als er fünfzehn war, verlor er auf dramatische Weise gegen seinen zwei Jahre jüngeren Konkurrenten Leo. Und verlor damit all seine Hoffnungen, Träume und den Glauben in sich selbst.
Heute, sechs Jahre später, kämpft er noch immer mit den Folgen der Niederlage. Er versteckt sich vor der Welt ohne jegliche Perspektive. Dann läuft er Leo wieder über den Weg. Dessen unerschütterliche gut gelaunte Fassade reizt Kasimir bis aufs Blut. Doch Leo lässt sich von Kasimirs Wut nichts so leicht in die Flucht schlagen wie gedacht.
Meine Meinung:
Was mir direkt positiv ins Auge gestochen ist, ist die aufs Thema abgestimmte Aufmachung des Buches. Der Roman ist in Teile eingeteilt, welche nach den verschiedenen Passagen eines Musikstückes benannt sind. Anstelle von Kapiteln bekommen wir Takte zu lesen und während Kasimirs Perspektive als "Moll" gekennzeichnet ist, berichtet Leos in "Dur". Wer sich ein bisschen mit Musiktheorie auskennt ahnt, dass es sich um eine Grumpy x Sunshine Liebesgeschichte handelt und liegt damit richtig. Und wo ich gerade von Musiktheorie spreche das Musik-Thema ist ein roter Faden in der Geschichte und spiegelt sich auch in der bildhaften Sprache wider. Für besseres Verständnis empfehle ich für die Geschichte daher, zumindest ein paar Grundkenntnisse im Bereich Musik zu haben.
Ich habe die Sprache gerade als bildhaft beschrieben und möchte noch ein wenig mehr zum Schreibstil sagen. Der Einstieg in die Geschichte fiel mir was die Handlung betraf zwar leicht, doch der Schreibstil machte es mir schwerer. An die Erzählung in der dritten Person konnte ich mich nach einigen Seiten gewöhnen. Der ausschweifende, schillernde, extravagante Sprachstil hingegen war für mich bis zum Ende hin nicht greifbar. Die Autorin setzt auf große Bilder, die sie mit ihren Worten malt - oder wenn man so will: charakterstarke Melodien, die ihre Sätze bilden - doch diese konnte ich selbst hochkonzentriert nicht immer entschlüsseln. Und oft musste ich Szenen mehrmals lesen, weil der Schreibstil etwas Langatmiges an sich hatte.
Thematisch ist die Story stark besetzt und sie überzeugt gekonnt durch Tiefe. Beide Hauptfiguren bringen interessante, vielseitige Problematiken in die Geschichte ein und die Nebenfiguren verleihen der Story ebenfalls ihre eigene Note. Allgemein ist die Geschichte zwar nicht tragisch oder dramatisch, aber durchaus schwerer als ich erwartet hatte. Sie ist durch den Wettbewerb, der sich durch die gesamte Storyline zieht, spannend und die Schmunzler sorgen für Unterhaltungswert. Aber ALL EYES ON ME ist eben nicht die leichte, süße Lovestory, für die ich sie gehalten hatte.
Insgesamt habe ich das Buch weniger als Lovestory wahrgenommen. Es ist eher ein Coming-of-Age-Roman, ein Roman für junge Erwachsene mit mehr Freundschaft als Liebe. Da ich mich sehr auf diese Mischung aus Enemies to Lovers und Friends to Lovers gefreut hatte, kamen für meinen Geschmack Liebe und Romantik deutlich zu kurz. Vom Ende habe ich mir mehr erhofft und vieles blieb zu offen. Außerdem waren mir beide Protagonisten zwar sympathisch, doch während Kasis Entwicklung großartig und detailreich war, verblasste Leo leider neben ihm. Bei den Nebenfiguren hat mir die Vielfalt gefehlt, weil alle mit ihrem forschen, fordernden Charakter einander zu ähnlich waren.
Mein Fazit:
ALL EYES ON ME ist eine Coming-of-Age-Geschichte für alle Liebhaber von Klaviermusik. Die Seiten vibrieren geradezu unter der Melodie von Cicer Arietis Worten. Obwohl nicht jeder einzelne Ton bei mir ankam, hörte ich dieser Melodie gerne zu und es hat mich berührt, Kasimir dabei zu begleiten, über seine Komfortzone hinauszuwachsen. Ursprünglich wollte ich dem Roman 4 Sterne geben, doch das Ende hat mich meine Entscheidung nochmal überdenken lassen. Weil einiges zu offen blieb und die Lovestory unterging, vergebe ich nun 3 von 5 Sternen.